Selbst gemacht: Urbaner Garten an der Schuhfabrik

Selbst gemacht: Urbaner Garten an der Schuhfabrik Grünes Wachstum im Hinterhof In vielen Städten weltweit gibt es sie schon: urbane Gärten. Auch in Leonberg existieren schon mindestens zwei. Einer wurde erst im Sommer 2022 bei der Alten Schuhfabrik angelegt. Was unterscheidet einen solchen modernen städtischen Garten von einem herkömmlichen Kleingarten? „Er ist kein Privat-, sondern ein Gemeinschaftsgarten, er ist öffentlich zugängig und er bereichert das Leben in der Stadt“, sagt Tobias Kegler. Nach den Worten des Garten-Initiators und Vorstandsmitglieds im Verein Kulturfabrik Leonberg waren die Idee für einen urbanen Garten und die dafür notwendigen Kontakte schon vor der Corona-Pandemie da, aber: „Anlässlich des „Zukunftsstätte“-Projekts haben wir das endlich aufgegriffen.“   Mit Unterstützung der Floristikmeisterin Eleonore Schick und von Johanna Moltmann-Herrmann von der Leonberger BUND-Ortsgruppe legten Gartenfreunde in mehreren gemeinschaftlichen Arbeitseinsätzen im Hinterhof der Alten Schuhfabrik ein Hügel- und ein Hochbeet an. Sie errichteten einen Kompost und ein Gartentor aus knorrigen Ästen und zimmerten eine rustikale Sitzgelegenheit aus Paletten. Jeder konnte mitmachen. „Im Rahmen der Zukunftsstätte haben wir auch viel Unterstützung von der Stadt Leonberg bekommen, die uns zum Beispiel Bodensubstrat, Schnittgut und einen Wassertank zum Auffangen von Regenwasser gestellt hat“, so Tobias Kegler. BUND-Mitglieder spendeten Setzlinge, Kräuter und eine Wassertankzuleitung von der Regenrinne. „Und plötzlich stand eine Steige Blumen da, ich wusste gar nicht, woher die kam“, freut sich Tobias Kegler. Auch einige Topfbeete kamen hinzu. Den Freiwilligen geht es nach seinen Worten bei der Gartenarbeit nicht nur um den inzwischen geernteten leckeren Salat, sondern auch um die Freude am Gärtnern, an gesunden Lebensmitteln, um Naturerfahrung in der Stadt sowie nicht zuletzt um das Gemeinschaftserlebnis. „Zum Beispiel haben zwei Familien mit Kindern eines der Beete angelegt, und ein Nachbar hat sich bereit erklärt, von Zeit zu Zeit die Pflanzen zu gießen.“ Tobias Kegler fügt hinzu: „Für alle, die mitgeholfen haben, war es eine positive Erfahrung. Alle sind bereit, im kommenden Frühjahr wieder einen Beitrag zu leisten.“   Der Verein Kulturfabrik Leonberg e.V. wird sich um die Zukunft dieser grünen Ecke an der alten Schuhfabrik kümmern. Pläne gibt es schon: Neben Beeren, Kräutern und verschiedenen Salatsorten soll im urbanen Garten dann auch Gemüse angebaut werden. Kontakt für Interessierte: info@tobiaskegler.com oder info@kulturfabrik-leonberg.de

Gefragt: Workshop „Bock auf Zukunft“ mit Jugendlichen

Gefragt: Workshop „Bock auf Zukunft“ mit Jugendlichen Zukunftsideen für Leonberg Wir wollen gemeinsam die Zukunft gestalten? Was liegt da näher als die jungen Leute direkt nach ihrer Meinung und ihren Ideen für die Zukunft in Leonberg zu fragen? Das dachten sich Tobias Kegler vom Vorstand des Vereins Kulturfabrik Leonberg und die Leonberger Designerin Ulrike Klaus bei der Auftaktveranstaltung zur „Zukunftsstätte Leonberg“ im Frühjahr 2022. Sie nahmen Kontakt zu Leonberger Schulen auf und entwarfen ein Konzept für Schüler-Workshops unter dem Motto „Bock auf Zukunft“. In drei Klassen am Johannes-Kepler-Gymnasium und an der Marie-Curie-Gesamtschule trugen Schülerinnen und Schüler ihre Erwartungen, Hoffnungen und zum Teil auch Befürchtungen zusammen. Auf farbigen Zetteln notierten sie Slogans wie „Badesee im Stadtpark“, „Mehr Cafés“, „Nicht so viel Abgase“, „Mehr Grün/Bepflanzung auch an Häusern“, „Keine Kriege“ und vieles mehr. In Zusammenarbeit mit der Lehrerin Gudrun Wagner am Albert-Schweitzer-Gymnasium (ASG) entwickelte sich daraus ein Kunstprojekt: Die Kunst-Grundkurse verwandelten ausgewählte Schülerwünsche in bunt bemalte Holztafeln.     Der Kunst-Leistungskurs zimmerte dann eine Konstruktion, auf der diese Tafeln zur Schau gestellt wurden. Was anfangs als Litfass-Säule geplant war, wurde dann nicht senkrecht, sondern horizontal aufgestellt. Eine geniale Idee, denn dadurch wurde die „Säule“ begehbar. Man baute gemütliche Sitzbänke ein, installierte Lichterketten und arrangierte in diesem Konstrukt die Tafeln aus den Kunst-Grundkursen. Darauf Sprüche wie „Feel Culture“, „ÖPNV 365-Euro-Ticket“, „Kill Smoking“ und „Coffee Shop“. Die gekippte Litfass-Säule war während des dreiwöchigen „Zukunftsstätte“-Festivals auf dem Platz der Steinturnhalle ausgestellt. Sie fand nicht nur bei Gleichaltrigen, sondern bei allen Festivalbesuchern, Eltern und Passanten Beachtung. Nun hat sie einen Platz auf dem Schulhof des ASG gefunden. Alle Jugendlichen seien mit Feuereifer dabei gewesen, sagen unisono Tobias Kegler, Ulrike Klaus und Gudrun Wagner rückblickend. Einige Jugendliche fanden es überraschend und waren erfreut, dass sie überhaupt zu ihren Zukunftsvorstellungen gefragt wurden: „Das kam gut an.“ Durch die Kooperation mit Schulen und deren Einbindung in eine kulturelle Veranstaltung im öffentlichen Raum sind neue Verknüpfungen zwischen Schülern, Lehrern und Kreativen, aber auch der Kreativen untereinander entstanden.

Begeistert: Kreativworkshops für Kinder und Erwachsene

Begeistert: Kreativworkshops für Kinder und Erwachsene Figuren aus Ytong und coole Bilder Ihre Hände gebrauchen, um selbst kreativ zu werden, konnten die Besucher von drei Kreativworkshops, die Brigitte Guggenbiller während der „Zukunftsstätte“ angeboten hat. Angesprochen waren neben Erwachsenen auch Kinder. „Ich möchte, dass Kinder kreativ werden und nicht nur am Computer oder Handy spielen“, sagt die ausgebildete Kunsttherapeutin und freischaffende Künstlerin. In ihrem Atelier in der Alten Schuhfabrik leitete sie am Sonntag, 2. Oktober 2022, Kinder und Erwachsene an, kleine Skulpturen aus Ytong herzustellen. Das poröse Material lässt sich ohne großen Kraftaufwand mit Sägen und Feilen bearbeiten, sodass in zwei bis drei Stunden schon vorzeigbare Ergebnisse herauskommen. Auf diese Weise entstanden beispielsweise kleine Tierfiguren. Ihre Werke durften die Teilnehmer anschließend mit nach Hause nehmen. „Während des gemeinsamen Arbeitens herrschte eine heitere Stimmung. Am Ende waren Kinder und Eltern begeistert, und ich bekam sogar Applaus“, freut sich die Workshop-Leiterin.   Während der Ytong-Workshop sehr gut besucht war, blieben beim zweiten Workshop unter dem Motto „Experimentelles Malen mit wasserlöslichen Farben“ am Mittwochabend, 12. Oktober, die Besucher aus. „Vielleicht lag es daran, dass unter der Woche niemand Zeit hat“, versucht Brigitte Guggenbiller, sich einen Reim darauf zu machen. Andererseits bietet sie auch in der vhs-Kunstschule in der Alten Schuhfabrik, im Kreativwerk Höfingen und in ihrem Atelier immer wieder an Wochentagen Abend-Workshops an, die gut angenommen werden. Der dritte Workshop fand im Rahmen der Sonntagsmatinee am 16. Oktober statt. Während sich unten in der Galerie die Erwachsenen bei Kunst und Jazz unterhielten, beteiligten sich zwei Etagen höher im Atelier von Brigitte Guggenbiller rund zehn Kinder und Jugendliche eifrig an der nachmittäglichen Malaktion. „Allen hat es Spaß gemacht und es entstanden coole Bilder“, zieht die Künstlerin zufrieden Bilanz. Das Material für alle drei Workshops hat sie aus eigenen Mitteln zur Verfügung gestellt. Wer wollte, konnte sich mit einem kleinen Beitrag ins Spendenkässle an den Kosten beteiligen.

Verknüpft: Vortrag über Regenwald, Klimakrise und Konsum

Verknüpft: Vortrag über Regenwald, Klimakrise und Konsum Amazonien und die Zukunft in Leonberg Was hat die Zerstörung des brasilianischen Regenwalds mit unserer Zukunft in Leonberg zu tun? Darum und um die Frage, wie jede/r von uns zu einer fairen Welt beitragen kann, ging es beim Lichtbildervortrag „Amazonien zwischen Faszination und Umweltkatastrophe“ am Abend des 26. September 2022 in der Galerie im Künstlerhaus. Eingeladen hatten der Verein Kulturfabrik Leonberg und der Eine-Welt-Laden Leonberg.   Johann Graf vom Verein POEMA, was die brasilianische Abkürzung für „Armut und Umwelt in Amazonien“ ist, berichtete von seiner im Sommer unternommenen Reise in zwei Reservate der Ureinwohner und zu Entwicklungsprojekten der brasilianischen Landlosen-Bewegung. Mit zahlreichen Lichtbildern gab er nicht nur lebendige Einblicke ins alltägliche Leben und die – von der Pandemie erschütterte – Gesundheitssituation der Ureinwohner, sondern erzählte auch davon, wie diese sich – nicht selten unter Einsatz ihres Lebens – gegen die Zerstörung des Regenwalds durch Holzräuber, illegale Goldsucher, eindringende Minengesellschaften und Viehzüchter wehren. Thematisiert wurde auch, wie sich unser europäisches Konsumverhalten auf die Zerstörung des Regenwalds und die damit verbundene globale Klimakrise auswirkt und wie jede/r Einzelne durch geändertes Verhalten gegensteuern kann. Darüber hinaus zeigte der Referent zwei Gemeinschaftsprojekte der verarmten Landbevölkerung, die dank der Unterstützung durch POEMA Erfolge mit Ökolandbau und Wiederaufforstung erzielen. Zum Schluss konnten die Besucher Fragen stellen, wovon rege Gebrauch gemacht wurde. Der Eintritt war frei.

KuFa-Dokumentation: Offener Brief an Leonbergs Oberbürgermeister Martin G. Cohn

Offener Brief an Leonbergs Oberbürgermeister Martin G. Cohn, überreicht am 24. Juni 2022 Appell zur Schaffung eines Kulturzentrums als kreative und bildungspolitische Begegnungsstätte für alle Bürger/innen! Das Areal der Alten Schuhfabrik darf nicht ausschließlich kommerziell genutzt werden!   Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Cohn, das Thema „Alte Schuhfabrik“ hat in den vergangenen Monaten für Diskussionsstoff gesorgt. Wir halten den Beschluss des Gemeinderats für verfehlt, dass nun ein privater Investor über die Zukunft dieses Gebäudes entscheiden soll. Es steht zu befürchten, dass sich rein kommerzielle Gewinninteressen durchsetzen und hochpreisige Büro- und Wohnräume auf Kosten der Kultur entstehen. Damit hätte sich die Stadt einer einmaligen Chance beraubt!   Wie Sie wissen, hatte die Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg in einem mehrseitigen Konzept für ein sozio-kulturelles Zentrum dargelegt, welche Möglichkeiten sich mit der Sanierung des Gebäudekomplexes erschließen. Der neu gegründete Verein „KULTURFABRIK LEONBERG“ hat dieses Engagement nun bekräftigt. Der Verein setzt sich für die Schaffung eines Kulturzentrums auf dem Areal der Alten Schuhfabrik ein. Zu den Mitgliedern gehören kulturell interessierte, engagierte Bürger/innen ebenso wie freie Kunst- und Musikschaffende, Kultur-Veranstalter u.a. – es geht eben nicht, wie zuweilen hartnäckig behauptet, nur um die Interessen einzelner weniger Personen!   Auch wir, die Unterzeichner, sind der Meinung: Kunst und Kultur brauchen einen kreativen Raum, eine verwurzelte Heimat im Herzen einer lebendigen Stadt. Einen Ort für kreative und bildungspolitische Begegnungen für und von allen Bürger/innen!  Eine KULTURFABRIK LEONBERG als Ort der Vielfalt und des interkulturellen Austauschs, als offene Begegnungsstätte für alle und Ergänzung zur Leonberger Stadthalle, für Ateliers, Workshops, Vortragsreihen, Ausstellungen, Konzerte im kleinen Rahmen u.v.m.   Ob alleine oder im Zusammenspiel mit der Steinturnhalle – mit ihrer bewegten, bunten Historie ist die Alte Schuhfabrik ein perfekter Standort. Nicht viele Städte verfügen über einen solchen, über Jahrzehnte gewachsenen Standort der Kultur (siehe Chronik: Von der Alten Schuhfabrik zur Kulturfabrik). Andererseits haben kleinere Städte, beispielsweise Schorndorf, vorgemacht, wie ein Kulturzentrum das städtische Kulturleben bereichert! Leonberg, trotz seiner bald 50.000 Einwohner, steht ohne da!   Dabei gehört Leonberg auch dem Deutschen Städtetag an. In dessen Positionspapier „Kulturpolitik als Stadtpolitik“ von 2015 heißt es, politische Entscheidungen zur kulturellen Infrastruktur seien eine verantwortungsvolle Aufgabe, „weil sie das Lebensumfeld aller Bürgerinnen und Bürger betreffen und im Wettbewerb der Städte um Fachkräfte und Unternehmen eine hohe Bedeutung als Standortfaktor gewinnen.“ Und weiter: „Politik und Verwaltung müssen mehr Mut zu kulturellen Zwischen-, Um- und Nachnutzungen von öffentlichen Räumen zeigen. Die Kunstszenen und die Kultur gehören an geeignete Standorte und nicht auf Flächen mit dem geringsten Bodenwert. Der „Verbetriebswirtschaftlichung“ öffentlicher Räume ist zugunsten von Räumen der Begegnung und des Austausches sowie der Stadtbildpflege entgegenzuwirken“.   In diesem Sinne fordern wir die Stadt Leonberg auf, die Zukunft der Alten Schuhfabrik nicht komplett den finanziellen Interessen eines Investors zu überlassen, sondern sich dafür einzusetzen, dass ein Teil dieses Gebäudekomplexes von der Stadt übernommen/angemietet wird, um diese Räume preisgünstig sozio-kulturellen Einrichtungen zur Nutzung zu überlassen. Wir appellieren an Sie: Setzen Sie sich mit dem Verein Kulturfabrik zusammen! Gemeinsam lassen sich sicher aktiv und kreativ Ansätze und Lösungen erarbeiten!   Die Unterzeichner (7 Leonberger Vereine, 11 Kulturzentren aus der Region Stuttgart sowie 153 Einzelpersonen aus Leonberg und Umgebung)

KuFa-Dokumentation: Künstler kämpfen um die Schuhfabrik

LKZ-Artikel vom 12.04.2022 Künstler kämpfen um die Schuhfabrik Von Thomas K. Slotwinski Zum Original-Artikel Die Künstler in der alten Schuhfabrik in der Leonberger Innenstadt geben nicht auf. Sie werben weiterhin dafür, dass die einstige Produktionsstätte „ein Ort der Vielfalt und des interkulturellen Austauschs“ wird. Dafür haben sie einen eigenen Verein gegründet, dessen Name Motto ihres Projektes ist: Kulturfabrik Leonberg. Die Aktiven um die Vereinsvorstände Chris Heinemann und Karin Albrecht haben einen Brief an den Oberbürgermeister und die Stadträte geschrieben, in dem sie eindringlich davor warnen, die Entwicklung des Gebäudes ausschließlich einem privaten Investor zu überlassen. Denn so sieht im Moment die politische Beschlusslage aus. Mühevoller Kompromiss Es war ein mühevoller Kompromiss, zu dem sich vor knapp einem Jahr der Gemeinderat durchgerungen hat: Die westlichen und östlichen Teile des Gebäude an der Einmündung der Steinstraße in die Eltinger Straße sollen abgerissen werden. Der Kernbereich, in dem bis zum Jahr 1977 noch Schuhe hergestellt wurden, bleibt hingegen erhalten. Geplant sind dort Wohnungen in bester Lage am Rande der Altstadt und direkt gegenüber des künftigen Quartiers Postareal. Aber auch die Künstler, die in dem genau 125 Jahre alten Gebäude ihre Ateliers haben, dürfen hoffen, in einer umgestalteten Schuhfabrik präsent zu sein. Investor soll Generalsanierung stemmen Doch die Neugestaltung des alten Gebäudes soll nicht unter städtischer Regie laufen. Dafür, so sieht es die große Mehrheit im Gemeinderat, fehlt der stark schuldenbelasteten Stadt schlicht das Geld. Ein privater Investor soll eine Generalsanierung, die vor einem Jahr mit gut sieben Millionen Euro veranschlagt war, übernehmen. In dessen Plänen soll aber sichergestellt werden, dass die Kultur weiterhin einen Platz im einstigen Fabrikgebäude hat. Doch genau daran glauben die Aktiven des Vereins Kulturfabrik nicht. Die Lange Kunstnacht Anfang Mai hatten sie dafür genutzt, Besucher auf ihre Lage hinzuweisen und um Unterschriften zu bitten. Insgesamt 149 sind so zustande gekommen. Auch andere Vereine haben unterschrieben Auch elf regionale und sieben Leonberger Kulturvereine setzen sich für eine Schuhfabrik als Kulturstätte ein. Sie alle haben den offenen Brief mitunterzeichnet, den jetzt die Vereinsspitze beim Oberbürgermeister abgegeben hat. „Es steht zu befürchten, dass sich rein kommerzielle Gewinninteressen durchsetzen und hochpreisige Büro- und Wohnräume auf Kosten der Kultur entstehen“, argumentiert der Verein in dem Brief. Städtetag sieht Kultur als Standortfaktor Die Vorstände Heinemann und Albrecht berufen sich dabei auch auf ein Positionspapier des Deutschen Städtetages, dem Leonberg angehört, aus dem Jahr 2015: „Politische Entscheidungen zur kulturellen Infrastruktur sind eine verantwortungsvolle Aufgabe, weil sie das Lebensumfeld aller Bürger betreffen und im Wettbewerbe der Städte um Fachkräfte und Unternehmen eine hohe Bedeutung als Standortfaktort gewinnen“, heißt es dort. Und weiter: „Der Verbetriebswirtschaftlichung öffentlicher Räume ist zugunsten von Räumen der Begegnung und des Austausches entgegenzuwirken.“ Deshalb, so fordert der Verein Kulturfabrik, solle die Stadt die Zukunft der Schuhfabrik „nicht komplett den finanziellen Interessen eines Investors überlassen, sondern sich dafür einzusetzen, dass ein Teil des Gebäudekomplexes von der Stadt übernommen oder angemietet wird, um diese Räume preisgünstig sozio-kulturellen Einrichtungen zur Nutzung zu überlassen.“ Cohn lobt Initiative Zumindest beim Oberbürgermeister stoßen die Initiatoren auf offene Ohren. „Ich finde es großartig, dass sich die Bürgerinnen und Bürger zu einem Verein zusammengeschlossen haben und sich für ihre Ziele einsetzen“, sagt Martin Georg Cohn (SPD). „Das ist gelebte Demokratie.“ Gemeinsam mit dem Gemeinderat werde man das Schreiben nun in der nächsten Sitzung diskutieren. Damit verlässt der Sozialdemokrat Cohn zumindest in der Tendenz die bisherige Linie seiner Partei. Hatte doch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christa Weiß den Grünen, die das Anliegen der Künstler schon immer unterstützt haben, vor einem Jahr vorgeworfen, angesichts der leeren Stadtkasse „traumtänzerisch unterwegs“ zu sein.

KuFa-Dokumentation: Satzung des Kulturfabrik Leonberg e.V.

Satzung des Kulturfabrik Leonberg e.V. § 1 Name, Sitz, Rechtsfähigkeit Der Verein trägt den Namen Kulturfabrik Leonberg e.V. – Begegnungszentrum für Kunst, Kultur, Kreativität und Bildung. Sitz des Vereins ist Leonberg. Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Der Verein wird ins Vereinsregister eingetragen.   § 2 Ziel und Zweck des Vereins (1) Ziel und Zweck des Vereins ist die Förderung von bürgerschaftlichem und gemeinnützigem Engagement auf den Gebieten Kunst, Kultur, Kreativität und Bildung sowie die Förderung von zwischenmenschlicher und internationaler Begegnung und Zusammenarbeit, gegenseitiger Toleranz und der Völkerverständigung. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Entwicklung kultureller Vielfalt sowie der Förderung junger Kunst- und Kulturschaffender sowie freier Kulturgruppen. (2) Verwirklicht werden sollen diese Ziele durch – Veranstaltungen u.a. in den Bereichen bildende Kunst, Fotografie, (Klein-)Kunst, Musik, Literatur, Kabarett sowie Politik, Gesellschaftspolitik und Stadtgeschichte. – Workshops, Kurse, Diskussionen, Charity-Veranstaltungen, Basare und mehr – flexible Raumangebote (Veranstaltungssaal, Ateliers, Büroraum, Coworking Space) für Vereine, Bürgerinitiativen, Künstler, Kulturschaffende u.ä. zu einem sozial vertretbaren Preis – Eintreten für Erhalt, Sanierung und Umgestaltung der „Alten Schuhfabrik“ als Standort des Begegnungszentrums Kulturfabrik – Eintreten für die Einrichtung eines Künstler-/Kultur-Cafés/Bistros im Begegnungszentrum   § 3 Gemeinnützigkeit (1) Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung. Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. (2) Bei Auflösung des Vereins oder bei Wegfall seines bisherigen Zwecks fällt das Vereinsvermögen an die Stadt Leonberg, die es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke, insbesondere zur Förderung von Kunst, Kultur und Bildung, zu verwenden hat.   § 4 Mitgliedschaft (1) Mitglied des Vereins kann jede natürliche und juristische Person werden, die die Satzung anerkennt und Beiträge zahlt. Über den schriftlichen Aufnahmeantrag entscheidet der Vorstand. Wird der Aufnahmeantrag abgelehnt, kann innerhalb eines Monats zur nächsten Mitgliederversammlung Berufung eingelegt werden. Die Entscheidung der Mitgliederversammlung ist endgültig. (2) Befürworter der Ziele des Vereins können sich dem Verein durch einfache Erklärung als fördernde Mitglieder ohne Stimmrecht anschließen. (3) Die Mitgliedschaft endet durch a) freiwilligen Austritt. Dieser erfolgt durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Vorstand unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Jahresende; b) Ausschluss. Dieser kann vom Vorstand mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden, wenn das betreffende Vereinsmitglied gegen die Vereinsinteressen grob verstoßen hat oder seinen Beitragsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Das ausgeschlossene Mitglied kann innerhalb eines Monats nach Erhalt des Ausschließungsbeschlusses Berufung zur Mitgliederversammlung einlegen. Die Mitgliederversammlung entscheidet endgültig; c) Tod. d) Auflösung (im Fall einer juristischen Person).   § 5 Mitgliedsbeiträge Der jährliche Mitgliedsbeitrag wird von der Mitgliederversammlung festgesetzt.   § 6 Organe des Vereins Organe des Vereins sind a) die Mitgliederversammlung b) der Vorstand   § 7 Mitgliederversammlung (1) Oberstes Organ ist die Mitgliederversammlung. Sie findet mindestens einmal pro Jahr statt, außerdem wenn mindestens ein Fünftel der Mitglieder dies unter Angabe von Gründen beantragt. (2) Die Mitgliederversammlung entscheidet per Beschluss über a) die Wahl des Vorstandes b) die Wahl von zwei Kassenprüfer/inne/n, deren Amtszeit der des Vorstands entspricht c) die Annahme der Jahresberichte des Vorstandes und der Kassenprüfer/innen d) die Entlastung der Vorstandsmitglieder e) die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge f) alle Anträge von Vereinsmitgliedern g) Satzungsänderungen i) die Auflösung des Vereins. (3) Mitgliederversammlungen werden vom Vorstand unter Angabe der vorläufigen Tagesordnung mindestens 14 Kalendertage vorher schriftlich einberufen. (4) Anträge zur Mitgliederversammlung müssen mindestens sieben Kalendertage vorher schriftlich beim Vorstand eingereicht werden. (5) Anträge auf Satzungsänderung oder Auflösung des Vereins müssen den Mitgliedern im Wortlaut mit der Einladung zugehen. (6) Die Mitgliederversammlung wird von einem Vorstandsmitglied geleitet. Die Mitgliederversammlung kann auch einen Versammlungsleiter wählen. (7) Die vom Vorstand vorgeschlagene Tagesordnung kann durch Beschluss der Mitgliederversammlung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen geändert oder ergänzt werden. (8) Jede ordnungsgemäß eingeladene Mitgliederversammlung ist beschlussfähig. Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit der erschienenen Mitglieder gefasst. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. (9) Zu Satzungsänderungen ist eine Mehrheit von zwei Dritteln, zu Änderungen des Vereinszwecks und zur Auflösung des Vereins eine solche von drei Vierteln der anwesenden Mitglieder erforderlich. Der Vorstand ist ermächtigt, Änderungen und Ergänzungen der Satzung vorzunehmen, die aufgrund Beanstandung durch das Registergericht notwendig werden.   § 8 Vorstand (1) Der Vorstand im Sinne des §26 BGB besteht mindestens aus dem/der Vorsitzenden, dem/der Stellvertretenden Vorsitzenden und dem/der Kassenwart/in. Jeweils zwei Vorstandsmitglieder, von denen eines der/die Vorsitzende oder der/die Stellvertretende Vorsitzende oder der/die Kassenwart/in ist, sind gemeinsam vertretungsberechtigt. (2) In den Vorstand können weitere Vereinsmitglieder gewählt werden, die Aufgaben übernehmen und ebenfalls stimmberechtigt sind (erweiterter Vorstand). (3) Der Vorstand ist ehrenamtlich tätig, leitet den Verein und führt die laufenden Vereinsgeschäfte sowie die von der Mitgliederversammlung übertragenen Aufgaben aus. (4) Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung für ein Jahr gewählt. Er bleibt in jedem Fall bis zu einer Neuwahl im Amt.   § 9 Protokollierung von Beschlüssen Die Beschlüsse von Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen sind unter Angabe von Ort, Datum und Abstimmungsergebnissen zu protokollieren. Das Protokoll der Mitgliederversammlung ist vom jeweiligen Versammlungsleiter und dem/der Protokollführer/in zu unterzeichnen. Leonberg, 20.10.2021 Satzungsänderung in § 7 (9) und § 8 (1) beschlossen auf der Mitgliederversammlung vom 09.03.2022.

Entschieden: Sanierung ja, aber …

Entschieden: Sanierung ja, aber … Der Doppelbeschluss des Gemeinderats zur Zukunft der alten Schuhfabrik Nach mehrmaliger Verschiebung hat der Leonberger Gemeinderat am 27. Juli 2021 entschieden, wie es mit dem Anwesen alte Schuhfabrik weitergehen soll. Am Ende einer rund einstündigen, kontroversen Debatte wurden zwei Beschlüsse gefasst. Beschluss 1: Erfolg für Initiative Im ersten Beschluss sprach sich eine große Mehrheit dafür aus, die alte Schuhfabrik teilweise zu sanieren. Damit ist der über längere Zeit drohende Komplettabriss vorerst vom Tisch. Das ist erfreulich und kann als Teilerfolg unserer Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) gewertet werden. Unser beharrlicher Einsatz für eine Sanierung der alten Schuhfabrik, zuletzt in der vom Gemeinderat eingesetzten Projektgruppe, hat sich gelohnt. Mit ihrem Beschluss über die Teilsanierung folgten die Stadträte einem von Baubürgermeister Klaus Brenner in der zweiten Projektgruppensitzung am 19. Mai 2021 eingebrachten Vorschlag. Dieser stellte sich als Kompromiss dar zwischen der von einigen Stadträten erhobenen Forderung nach Komplettabriss einerseits sowie dem Wunsch der Initiative nach Komplettsanierung andererseits. Schattenseite: Vorderhaus wird abgerissen Bei einem Kompromiss gibt es neben Licht auch Schatten. Wie in der Vorlage zur entscheidenden Gemeinderatssitzung am 27. Juli 2021 auf Seite 4 nachzulesen ist, soll dem Planungsszenario 4 zufolge nur der mittlere, aus dem Jahr 1898 bzw. 1910 stammende Fabrikbau saniert werden. Dagegen soll der Westbau, womit das viel ältere und historisch bedeutendere Vorderhaus an der Eltinger Straße gemeint ist, in dem seit 1996 das Fachgeschäft BILD+RAHMEN existiert, zugunsten eines breiteren Fuß- und Radwegs abgerissen werden. Das Vorderhaus könnte durch einen neuen, schmaleren Vorbau zur Erschließung des gesamten Gebäudes – beispielsweise über ein neues Treppenhaus mit Fahrstuhl – ersetzt werden. Anders der Ostbau, sprich der hintere Fabrikanbau mit den Ateliers, der ersatzlos wegfallen soll, um einem schon länger geplanten Fußweg von der Seedamm- zur Steinstraße Platz zu machen. Allerdings gab es gegen den Abriss des Hinterhauses auch Einwände, unter anderem weil die Begründung, die Bausubstanz sei morsch, nicht auf sicheren Füßen zu stehen scheint. Wie weiter aus der Gemeinderatsvorlage hervorgeht, soll auch das bisher ungenutzte Dachgeschoss abgetragen und durch ein sogenanntes „Staffelgeschoss“ ersetzt werden. Ein solches Staffelgeschoss dient in der Regel Wohnzwecken. Elemente aus Kulturfabrik-Konzept Die Freude über den Teilerfolg wird also durch den Wermutstropfen getrübt, dass die Initiative ihr ursprüngliches Ziel, die Schuhfabrik als Gesamtensemble zu erhalten, nicht erreicht hat. Das ist sehr bedauerlich und wird der Bedeutung des Vorderhauses für die Stadt-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in keiner Weise gerecht. Leider nimmt der Abriss-Beschluss auch keinerlei Rücksicht auf die bei BILD + RAHMEN vorhandenen Arbeitsplätze, die nun in höchstem Maß gefährdet sind. Zugleich könnte ein Hinweis in der Gemeinderatsvorlage auch Anlass zur Hoffnung geben. „Übergreifend über alle vorgestellten Szenarien hinweg“ sei „für alle Beteiligten (der vom Gemeinderat eingesetzten Projektgruppe) wichtig“, dass „die Maßnahme Eltinger Straße 11, alte Schuhfabrik, (..) immer unter Einbeziehung einer gesamtstädtebaulichen Betrachtung zu bewerten und anzugehen“ sei. Sowohl die Steinturnhalle, der Platz vor und zwischen den Gebäuden alte Schuhfabrik und Steinturnhalle, der vorhandene Straßenraum sowie das Postareal seien „planungsrelevant“ und erforderten „eine städtebauliche Gesamtkonzeption“. Dies käme unserer Idee entgegen, wonach alte Schuhfabrik und Steinturnhalle Teile eines gemeinsamen Kulturareals Steinstraße werden und der bisherige Parkplatz vor der Steinturnhalle zu einem beide Gebäude verbindenden Platz mit Aufenthaltsqualität umgestaltet werden könnte. Leider kam dieser Aspekt jedoch in der Debatte während der Gemeinderatssitzung völlig zu kurz. Wachsamkeit tut Not Freilich gilt es zu beachten: Bis ein Planungsszenario Verbindlichkeit erlangt, müssen noch zahlreiche verwaltungstechnische und politische Hürden genommen werden. In jedem dieser Schritte kann die ursprüngliche Idee verwässert oder gar gekippt werden. Beschluss 2: Investor soll´s richten Als erstes Hindernis auf dem Weg zur Kulturfabrik könnte sich schon bald der in derselben Sitzung gefasste zweite Gemeinderatsbeschluss herausstellen. In der vorangegangenen Aussprache hatten sich Fraktionsvertreter von Freien Wählern, CDU und auch SPD vehement gegen eine Sanierung auf städtische Kosten gewandt. Anschließend votierte die Mehrheit bei sechs Gegenstimmen und sechs Enthaltungen dafür, das Anwesen alte Schuhfabrik zum Erwerb durch einen Investor auszuschreiben. Dies mit der Vorgabe, dass ein künftiger Investor sich an die beschlossene Teilsanierung inklusive Teilabriss hält. Zugleich soll vertraglich fixiert werden, „dass die Künstler an Bord bleiben“, wie es Oberbürgermeister Martin G. Cohn formulierte. Was ist davon zu halten? Offen für alternative Finanzierung Zur Erinnerung: Wir haben uns bereits in unserem Konzept-Vorschlag grundsätzlich offen für alternative Finanzierungsmodelle gezeigt. Bedingung: Diese müssen geeignet sein, das Ziel Kulturfabrik zu erreichen und einen unabhängigen Kulturbetrieb zu gewährleisten. Dass dies auf dem Weg über einen Privateigentümer gelingen könnte, ist zwar nicht restlos ausgeschlossen (siehe das Beispiel des letzten Fabrikbesitzers Erich Hägele), muss aber unter den Bedingungen der herrschenden Marktgesetze als eher unwahrscheinlich angenommen werden. Zweifel an Investoren-Lösung Der Doppelbeschluss des Gemeinderats hat also einen Pferdefuß. Ein privater Investor ist ja in der Regel bestrebt, mit seiner Investition größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften. Mit der nichtkommerziellen Ausrichtung einer „Kulturfabrik“ ist das aber nicht erreichbar. Auch ist schwer vorstellbar, wie sich im Dachgeschoss angedachte Wohnungen mit einem lebendigen Kulturbetrieb, vor allem in den späten Abendstunden, auf Dauer vertragen. Zudem steht zu befürchten, dass ein Investor sich nicht mit wenigen Dachwohnungen zufriedengeben wird, sondern über kurz oder lang mehr kommerziell verwertbare Flächen in weiteren Etagen, etwa zur Schaffung hochpreisiger Appartements oder Büros, einfordern wird. Das aber ist angesichts des erst jüngst direkt gegenüber auf Layher- und Postareal gebauten und noch geplanten Wohnraums das Letzte, was an diesem Standort gebraucht wird.

„Eine Stadt ohne lebendige Kulturszene ist tot“

Interview: Der Maler Matthias Keller über die Gründung des Vorläufers der heutigen VHS-Kunstschule und seine Zeit in der alten Schuhfabrik „Eine Stadt ohne lebendige Kulturszene ist tot“   Herr Keller, wie geht es Ihnen als Künstler in diesen nicht enden wollenden Corona-Zeiten? Matthias Keller: Unterschiedlich. Die eigene Zeiteinteilung in der Isolation kommt mir entgegen. Ich sag immer, ich komm mir vor wie ein Mönch auf Zeit. Das war eigentlich schon immer ein Wunsch von mir: Ich wollte immer mal ins „Kloster auf Zeit“. Jetzt bin ich da auf andere Weise hingelangt. Die Zurückgezogenheit hat meine persönliche künstlerische Arbeit enorm vorangebracht. Ich bin ja Frühaufsteher und arbeite, bis ich müde bin. Aber Isolation auf Dauer ist natürlich auch nicht gut: keine Ausstellungen, keine Treffen mit Freunden … … und auch kein Kunstunterricht mehr? Sie haben doch in Leonberg seinerzeit die Jugendkunstschule gegründet, war die Kunstpädagogik nicht immer ihr Steckenpferd? Ja. Mit meinen Kunstschülern mache ich momentan Homeschooling. Das kann ich mir in meinem Fach gut einteilen. Was ich aber auch erlebe, sind geradezu sintflutartige Überfälle meiner Schüler auf mein E-Mail-Konto, wenn sie mir ihre Arbeiten schicken. Die muss ich alle bearbeiten, bewerten und anschließend mit ihnen besprechen. Auf digitalem Weg kostet das alles sehr viel Zeit. Wie war das eigentlich damals, als Sie in Leonberg mit dem Kunstunterricht angefangen haben? Das war nach unserem Auszug aus der alten Schuhfabrik 1987. Ich hatte da ja sechs Jahre lang zusammen mit anderen mein Atelier. Der damalige Leonberger Kulturamtsleiter Dr. Wulff hat mir danach vorgeschlagen, ein Konzept für eine Jugendkunstschule zu entwerfen. Da ich´s nicht so mit Konzepten habe, habe ich die Jugendkunstschule gleich selbst eröffnet. Wo und was haben Sie unterrichtet und wer war noch dabei? Mit den ersten Kursen haben wir im ersten Halbjahr 1988 angefangen. Dazu wurden uns zwei Unterrichtsräume mit kleinem Büro in der Schulbaracke im Hof des Albert-Schweitzer-Gymnasiums zugewiesen. Die Baracke war extra für die geburtenstarken Jahrgänge errichtet worden. Mir fielen die Leitungsaufgaben zu, aber ich habe auch selbst Malkurse gegeben. Die etwa zehn Kursleiter habe ich unter meinen damaligen Mitstudenten der Stuttgarter Kunstakademie und ausgebildeten Künstlern angeworben. Zum Beispiel hat Heide Biehlmeier, die Schwester des Leonberger Malers und Bildhauers Hans Daniel Sailer, damals einen Töpfer-Kurs gegeben. Wie haben Sie sich finanziert? Die Kunstkurse liefen über die Volkshochschule und meine Stelle wurde durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bezahlt. Damit konnte man aber keine Familie ernähren. Warum haben Sie der Jugendkunstschule wieder den Rücken gekehrt? Das Problem war, dass ich immer vor Kursbeginn und zur Planung des neuen Semesters viel zu organisieren hatte. Sobald die Kurse liefen, hätte ich durch eine flexiblere Arbeitszeit konstruktiver arbeiten können, musste aber präsent sein und meine Zeit absitzen. Wenn man mir ein bisschen mehr Freiheit gegeben hätte, hätte ich diese „Leerlaufzeiten“ zum Beispiel für den Besuch anderer Kunstschulen, für das Treffen beziehungsweise Anwerben neuer Dozenten und teilweise für meine künstlerische Arbeit nutzen können. Aber meine Versuche, mit der Stadt und der VHS über gleitende Arbeitszeiten zu verhandeln, blieben ohne Ergebnis. Deshalb und aus finanziellen Gründen bin ich im September 1989 ausgestiegen. Meine Nachfolgerin hatte bei der Arbeitszeitregelung mehr Erfolg. Wenn Sie heute auf Ihre Gründung zurückblicken, würden Sie sagen, Sie haben dennoch etwas erreicht? Ja, denn es gibt die Jugendkunstschule heute immer noch, wenn auch unter verändertem Namen als VHS-Kunstschule. Wenn Sie auf einzelne Schüler anspielen: Spontan fällt mir eine ehemalige Kunstschülerin ein, die heute am Zentrum für Kunst und Medien, dem ZKM in Karlsruhe, arbeitet. Bei der haben meine Kurse sicher Spuren hinterlassen. (schmunzelt) Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie vor der Schulgründung zusammen mit anderen in der alten Schuhfabrik künstlerisch aktiv waren. War es Ihre Idee, dort Räume für Ateliers anzumieten? Nein, die Initiative ging von Bernd Mack und zwei, drei anderen Kunststudenten aus Stuttgart aus. Diese haben in Leonberg rumgefragt, wer noch ein Atelier braucht. 1981 haben wir dann auf eigene Kosten das zweite Obergeschoss der alten Schuhfabrik renoviert und dort Ateliers eingerichtet. Da ich in Leonberg aufs Kepler-Gymnasium gegangen bin, hat mich mein früherer Kunsterzieher Wolfgang Schäfer angesprochen, ob wir zusammen ein Atelier mieten wollen. Ich war damals 21 Jahre alt und hatte gerade angefangen, an der Kunstakademie in Stuttgart zu studieren. Weil ich weiter in Leonberg in der Keplerstraße wohnte, war es für mich praktisch, zum Malen nicht immer nach Stuttgart fahren zu müssen. Welche Erinnerungen haben Sie noch an diese Zeit? Nach den ersten Ausstellungen haben wir den „Glaskasten e.V.“ gegründet, damit wir Zuschüsse von der Stadt bekommen konnten. Der Name „Glaskasten“ steht ja immer noch auf dem Klingelschild am Hofeingang und über der Zugangstür vom hinteren Treppenhaus. Wieso haben Sie den Verein eigentlich Glaskasten genannt? Gibt es noch dieses verglaste Abteil in einem der Räume im zweiten OG? Ja, wo Sie es sagen … Sehen Sie, danach haben wir unseren Verein benannt. Wir haben diesen Glaskasten damals so belassen, wie wir ihn vorgefunden haben. Wer war außer Ihnen noch im Glaskasten-Verein aktiv? Da waren zum Beispiel der Bildhauer und Maler Johannes Kares, der Maler, Grafiker und Holzschnitt-Künstler Rolf Hausberg, der Goldschmied Konrad Hoog, die Malerin und Hutmacherin Charlotte Scheffel, der Siebdrucker Sebastian Klotz, der Kunstmaler Jochen Stahl, Erich Härtig und der schon erwähnte Wolfgang Schäfer. Aus künstlerischer Sicht betrachtet: Welche Bedeutung hatte für Sie Ihre aktive Zeit in der alten Schuhfabrik? Eine sehr, sehr große Bedeutung. In der alten Schuhfabrik ist der Grundstein für meine heutige künstlerische Tätigkeit gelegt worden. Ich war damals der Jüngste und konnte mir bei den Älteren Ratschläge holen. Vor allem bei Johannes Kares, den ich heute als meinen wichtigsten Lehrmeister betrachte. Handwerklich habe ich viel von Rolf Hausberg gelernt. Wir haben viel gearbeitet und tolle Feste gefeiert, die sich bis nach Stuttgart und Tübingen rumgesprochen haben. Wir hatten Theaterleute und Musiker zu Besuch. Pro Jahr haben wir bis zu neun Ausstellungen gemacht, auch mit auswärtigen Künstlern, die damals noch unbekannt waren und heute teilweise große Namen haben. War der Fabrikbesitzer auch mal unter den Gästen? Ja, an Erich Hägele erinnere ich mich als wär´s ein Film. Er war ein echter, aufrichtiger schwäbischer Fabrikant,