Entschieden: Sanierung ja, aber …

Entschieden: Sanierung ja, aber … Der Doppelbeschluss des Gemeinderats zur Zukunft der alten Schuhfabrik Nach mehrmaliger Verschiebung hat der Leonberger Gemeinderat am 27. Juli 2021 entschieden, wie es mit dem Anwesen alte Schuhfabrik weitergehen soll. Am Ende einer rund einstündigen, kontroversen Debatte wurden zwei Beschlüsse gefasst. Beschluss 1: Erfolg für Initiative Im ersten Beschluss sprach sich eine große Mehrheit dafür aus, die alte Schuhfabrik teilweise zu sanieren. Damit ist der über längere Zeit drohende Komplettabriss vorerst vom Tisch. Das ist erfreulich und kann als Teilerfolg unserer Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) gewertet werden. Unser beharrlicher Einsatz für eine Sanierung der alten Schuhfabrik, zuletzt in der vom Gemeinderat eingesetzten Projektgruppe, hat sich gelohnt. Mit ihrem Beschluss über die Teilsanierung folgten die Stadträte einem von Baubürgermeister Klaus Brenner in der zweiten Projektgruppensitzung am 19. Mai 2021 eingebrachten Vorschlag. Dieser stellte sich als Kompromiss dar zwischen der von einigen Stadträten erhobenen Forderung nach Komplettabriss einerseits sowie dem Wunsch der Initiative nach Komplettsanierung andererseits. Schattenseite: Vorderhaus wird abgerissen Bei einem Kompromiss gibt es neben Licht auch Schatten. Wie in der Vorlage zur entscheidenden Gemeinderatssitzung am 27. Juli 2021 auf Seite 4 nachzulesen ist, soll dem Planungsszenario 4 zufolge nur der mittlere, aus dem Jahr 1898 bzw. 1910 stammende Fabrikbau saniert werden. Dagegen soll der Westbau, womit das viel ältere und historisch bedeutendere Vorderhaus an der Eltinger Straße gemeint ist, in dem seit 1996 das Fachgeschäft BILD+RAHMEN existiert, zugunsten eines breiteren Fuß- und Radwegs abgerissen werden. Das Vorderhaus könnte durch einen neuen, schmaleren Vorbau zur Erschließung des gesamten Gebäudes – beispielsweise über ein neues Treppenhaus mit Fahrstuhl – ersetzt werden. Anders der Ostbau, sprich der hintere Fabrikanbau mit den Ateliers, der ersatzlos wegfallen soll, um einem schon länger geplanten Fußweg von der Seedamm- zur Steinstraße Platz zu machen. Allerdings gab es gegen den Abriss des Hinterhauses auch Einwände, unter anderem weil die Begründung, die Bausubstanz sei morsch, nicht auf sicheren Füßen zu stehen scheint. Wie weiter aus der Gemeinderatsvorlage hervorgeht, soll auch das bisher ungenutzte Dachgeschoss abgetragen und durch ein sogenanntes „Staffelgeschoss“ ersetzt werden. Ein solches Staffelgeschoss dient in der Regel Wohnzwecken. Elemente aus Kulturfabrik-Konzept Die Freude über den Teilerfolg wird also durch den Wermutstropfen getrübt, dass die Initiative ihr ursprüngliches Ziel, die Schuhfabrik als Gesamtensemble zu erhalten, nicht erreicht hat. Das ist sehr bedauerlich und wird der Bedeutung des Vorderhauses für die Stadt-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in keiner Weise gerecht. Leider nimmt der Abriss-Beschluss auch keinerlei Rücksicht auf die bei BILD + RAHMEN vorhandenen Arbeitsplätze, die nun in höchstem Maß gefährdet sind. Zugleich könnte ein Hinweis in der Gemeinderatsvorlage auch Anlass zur Hoffnung geben. „Übergreifend über alle vorgestellten Szenarien hinweg“ sei „für alle Beteiligten (der vom Gemeinderat eingesetzten Projektgruppe) wichtig“, dass „die Maßnahme Eltinger Straße 11, alte Schuhfabrik, (..) immer unter Einbeziehung einer gesamtstädtebaulichen Betrachtung zu bewerten und anzugehen“ sei. Sowohl die Steinturnhalle, der Platz vor und zwischen den Gebäuden alte Schuhfabrik und Steinturnhalle, der vorhandene Straßenraum sowie das Postareal seien „planungsrelevant“ und erforderten „eine städtebauliche Gesamtkonzeption“. Dies käme unserer Idee entgegen, wonach alte Schuhfabrik und Steinturnhalle Teile eines gemeinsamen Kulturareals Steinstraße werden und der bisherige Parkplatz vor der Steinturnhalle zu einem beide Gebäude verbindenden Platz mit Aufenthaltsqualität umgestaltet werden könnte. Leider kam dieser Aspekt jedoch in der Debatte während der Gemeinderatssitzung völlig zu kurz. Wachsamkeit tut Not Freilich gilt es zu beachten: Bis ein Planungsszenario Verbindlichkeit erlangt, müssen noch zahlreiche verwaltungstechnische und politische Hürden genommen werden. In jedem dieser Schritte kann die ursprüngliche Idee verwässert oder gar gekippt werden. Beschluss 2: Investor soll´s richten Als erstes Hindernis auf dem Weg zur Kulturfabrik könnte sich schon bald der in derselben Sitzung gefasste zweite Gemeinderatsbeschluss herausstellen. In der vorangegangenen Aussprache hatten sich Fraktionsvertreter von Freien Wählern, CDU und auch SPD vehement gegen eine Sanierung auf städtische Kosten gewandt. Anschließend votierte die Mehrheit bei sechs Gegenstimmen und sechs Enthaltungen dafür, das Anwesen alte Schuhfabrik zum Erwerb durch einen Investor auszuschreiben. Dies mit der Vorgabe, dass ein künftiger Investor sich an die beschlossene Teilsanierung inklusive Teilabriss hält. Zugleich soll vertraglich fixiert werden, „dass die Künstler an Bord bleiben“, wie es Oberbürgermeister Martin G. Cohn formulierte. Was ist davon zu halten? Offen für alternative Finanzierung Zur Erinnerung: Wir haben uns bereits in unserem Konzept-Vorschlag grundsätzlich offen für alternative Finanzierungsmodelle gezeigt. Bedingung: Diese müssen geeignet sein, das Ziel Kulturfabrik zu erreichen und einen unabhängigen Kulturbetrieb zu gewährleisten. Dass dies auf dem Weg über einen Privateigentümer gelingen könnte, ist zwar nicht restlos ausgeschlossen (siehe das Beispiel des letzten Fabrikbesitzers Erich Hägele), muss aber unter den Bedingungen der herrschenden Marktgesetze als eher unwahrscheinlich angenommen werden. Zweifel an Investoren-Lösung Der Doppelbeschluss des Gemeinderats hat also einen Pferdefuß. Ein privater Investor ist ja in der Regel bestrebt, mit seiner Investition größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften. Mit der nichtkommerziellen Ausrichtung einer „Kulturfabrik“ ist das aber nicht erreichbar. Auch ist schwer vorstellbar, wie sich im Dachgeschoss angedachte Wohnungen mit einem lebendigen Kulturbetrieb, vor allem in den späten Abendstunden, auf Dauer vertragen. Zudem steht zu befürchten, dass ein Investor sich nicht mit wenigen Dachwohnungen zufriedengeben wird, sondern über kurz oder lang mehr kommerziell verwertbare Flächen in weiteren Etagen, etwa zur Schaffung hochpreisiger Appartements oder Büros, einfordern wird. Das aber ist angesichts des erst jüngst direkt gegenüber auf Layher- und Postareal gebauten und noch geplanten Wohnraums das Letzte, was an diesem Standort gebraucht wird.

Vertagt: (Noch) keine Entscheidung im Gemeinderat

Vertagt: (Noch) keine Entscheidung im Gemeinderat Statt der angekündigten Abstimmung berät eine Projektgruppe über die Zukunft der Alten Schuhfabrik  Kurz vor dem Lockdown im November gab es noch eine Überraschung: Der Gemeinderat hatte seine für 17. November 2020 angekündigte Entscheidung über Sanierung oder Abriss der historischen alten Schuhfabrik ein weiteres Mal verschoben. Stattdessen bildete das Gremium – wohl auch unter dem Eindruck unseres Zukunftskonzepts für eine Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg eine „Projektgruppe Alte Schuhfabrik“, die in einen „Austausch“ mit uns treten sollte. Jede im Gemeinderat vertretene Gruppierung entsandte je eine/n Vertreter/in in die Projektgruppe, ergänzt durch vier Vertreter der Stadtverwaltung.  Offener Gedankenaustausch Am 5. November 2020 trat die Projektgruppe zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Stellvertretend für die Mieter der alten Schuhfabrik war der dreiköpfige Sprecherkreis der Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL)  eingeladen, das erarbeitete Konzept vorzustellen. Das haben wir getan. Darüber hinaus haben wir den Gedankenaustausch mit allen an der Projektgruppe Beteiligten als sehr offen und positiv erlebt. Über die konkreten Gesprächsinhalte wurde Vertraulichkeit vereinbart. Immerhin: Eine zweite Sitzung, ebenfalls mit unserer Beteiligung soll folgen. Der Termin steht noch nicht fest. Man einigte sich darauf: Sobald ein spruchreifes Ergebnis vorliegt, dürfen alle Beteiligten damit an die Öffentlichkeit. Es geht voran, wenn auch langsam  Wie immer solch ein Ergebnis aussehen könnte, eins ist klar: Die Projektgruppe kann nur Empfehlungen aussprechen. Die letztendliche Entscheidung trifft der versammelte Gemeinderat. Die Tatsache, dass man miteinander ins Gespräch gekommen ist, ist jedoch aus unserer Sicht schon ein Fortschritt. Es geht also voran, wenn auch – den Umständen entsprechend – langsam und mit weiterhin offenem Ausgang. Das klingt für manche vielleicht etwas unspektakulär, entspricht aber dem derzeitigen Stand der Dinge. Wir werden zu gegebener Zeit wieder informieren.

Tunnelblick statt ganzheitlicher Betrachtung

Tunnelblick statt ganzheitlicher Betrachtung In die Entscheidung über die alte Schuhfabrik müssen auch Argumente für ihren Erhalt einfließen Eigentlich sollte die Grundsatz-Entscheidung über Sanierung oder Abriss der alten Schuhfabrik schon im Frühjahr 2020 fallen. Doch die Corona-Krise hat nicht nur unsere Planungen für ein Künstlerhausfest, sondern auch die Terminplanung von Stadtverwaltung und Gemeinderat durchkreuzt. Und so kam es, dass die entscheidende Gemeinderatssitzung bereits zwei Mal verschoben wurde. Jetzt heißt es, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstag, 17. November 2020, ab 19 Uhr über die alte Schuhfabrik entscheidet. Zukunftskonzept veröffentlicht Wir haben die Zeit genutzt. In den vergangenen Monaten haben wir unseren Vorschlag, wie es aus unserer Sicht mit der alten Schuhfabrik weitergehen sollte, noch einmal gründlich überarbeitet und auf den allerneuesten Stand gebracht. Das von uns vorgelegte Konzept entwirft, kurz gesagt, eine Zukunftsvision, wie das bestehende Künstlerhaus zu einem „Begegnungszentrum für Kunst und Kultur“ weiterentwickelt werden kann. Das neue Begegnungszentrum mit dem Namen „Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg“ soll nicht nur kunstinteressierte Menschen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger ansprechen. Ja, wir gehen sogar noch einen Schritt weiter: Wir schlagen die Einbeziehung der ebenfalls historischen Steinturnhalle in ein neu zu schaffendes „Kulturareal Steinstraße“ vor. Damit könnten die kulturellen Angebote von Künstlern, Kulturschaffenden und Vereinen zielgenau an der Schwelle zwischen Altstadt und neuer Stadtmitte gebündelt und zudem für eine dauerhafte Belebung der umgebenden alten und neuen Wohn- und Geschäftsviertel genutzt werden. Wer sich einen schnellen Überblick über unsere Vorschläge verschaffen möchte, findet eine Kurzversion unter „KKL-Doku“ auf dieser Internetseite. Wer sich darüber hinaus für weitere Einzelheiten interessiert, kann sich in die anschließende Langfassung vertiefen. Entscheidung rückt näher Bereits im Februar 2020 hatten wir als Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) unser Konzept an die Stadtverwaltung geschickt. Doch damals war die Kulturamtsleitung noch nicht wieder besetzt, dann kam die Corona-Krise und es tat sich erst einmal nichts. Erst im Juni 2020 kam es auf Einladung der IKKL zu einem ersten Treffen mit dem neuen Ressortchef inklusive Besichtigung der Schuhfabrik. Ende Juli 2020 präsentierte das Kulturamt dann einen „Fahrplan“ für diesen Herbst: erst eine Hausbegehung durch den Gemeinderat, dann Beratung in den Ausschüssen und zum Schluss Entscheidung durch den Gemeinderat. Fragwürdige Hausbegehung Schon im Vorfeld der für den 29. September 2020 anberaumten nichtöffentlichen Hausbegehung wollte die Stadtverwaltung unser Konzept den Bürgervertreter/innen zugänglich machen. Doch daraus wurde nichts. Begründung: Der Gemeinderat wolle sich zuerst ausschließlich mit dem baulichen Zustand befassen. Diese Herangehensweise wird unserer Ansicht nach der Sache nicht gerecht. Ein historisches Bauwerk wie die alte Süddeutsche Schuhfabrik, dessen älteste Teile fast 200 Jahre alt sind, darf nicht allein von seinem baulichen Zustand her beurteilt werden. Statt des verengten Blicks auf erwartbare altersbedingte Schäden und deren Folgekosten könnte eine ganzheitlich ausgerichtete Betrachtungsweise zu einem objektiveren Urteil führen. In eine solche ganzheitliche Betrachtung muss zum einen die historische Bedeutung der Schuhfabrik als letzter Zeitzeugin der Leonberger Industrialisierung und zum anderen ihre gegenwärtige Bedeutung für die lokale und regionale Kunst- und Kulturszene einbezogen werden. Nicht zuletzt gilt es auch, die zukünftigen Chancen zu berücksichtigen, die mit der von uns vorgeschlagenen Umwandlung des bestehenden Künstlerhauses in ein Kunst- und Kultur-Begegnungszentrum für alle Bürger/innen und die Stadt insgesamt verbunden sind.     Politik der Abrissbirne Es ist beklagenswert, dass es in Leonberg offenbar an historischem Bewusstsein mangelt. Einen Verein, der sich um die Pflege der Stadt- und Regionalgeschichte kümmert, sucht man hier vergebens. Da verwundert es nicht, dass die Politik der Abrissbirne bisher kaum auf Widerspruch stieß. Auf diese Weise hat Leonberg schon viele historische Gebäude verloren: Erinnert sei beispielsweise an das Schießhaus am alten Friedhof (aus dem Jahr 1602), an das aus dem 19. Jahrhundert stammende Wohnhaus des Züchters der Leonberger Hunde, Heinrich Essig, und an die ehemalige Schuhfabrik Schmalzriedt in der Bahnhofstraße. Erst ließ man die Gebäude verfallen, dann hieß es: zu teuer zum Sanieren. Dieses Muster darf sich bei der alten Schuhfabrik nicht wiederholen. Ein Abriss der alten Schuhfabrik wäre nicht wieder gutzumachen. Wo ein Wille ist Im Übrigen werden angeblich zu hohe Kosten – wie neuerdings auch die Steuerausfälle infolge der Corona-Krise – gerne als Argumente vorgeschoben, um eine zukunftsweisende Diskussion im Keim zu ersticken. Landauf, landab hat sich aber in vielen ähnlich gelagerten Sanierungsfällen gezeigt: Wo ein Wille ist, da ist meistens auch ein Weg. Nicht von ungefähr weisen Fachleute darauf hin, dass es genügend Beispiele gibt, wie auch mit geringen Mitteln auf respektable Art und Weise saniert und restauriert werden kann. Lesetipp zur Geschichte der alten Schuhfabrik: https://zeitreise-bb.de/schuh/