„Wohin geht die Leona“: vhs-Vortrag war gut besucht

ERSTE ZUSAMMENSCHAU DER BEWEGTEN SCHUHFABRIKGESCHICHTE Der Vorsitzende des Vereins Kulturfabrik beleuchtete das Woher und Wohin des stadt- und sozialgeschichtlich einzigartigen Gebäudekomplexes   Leonberg wandelt sich rasant. Neue Gebäude wachsen empor, Altvertrautes verschwindet. Zu den wenigen Orten, die außerhalb der Altstadt die Zeit überdauert haben, zählt die Alte Schuhfabrik an der Eltinger Straße. Obwohl während der Langen Kunstnächte im Frühjahr regelmäßig Hunderte von Besuchern durch die auch als Künstlerhaus bekannt gewordenen Räumlichkeiten pilgern, sind die Wenigsten mit der außergewöhnlichen Geschichte dieses Ortes vertraut. Um das zu ändern, hat der freie Journalist, studierte Historiker und freischaffende Künstler Chris Heinemann viele bislang verstreut vorhandenen Informationen zusammengetragen und darüber hinaus noch lebende Zeitzeugen befragt. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen präsentierte er erstmals am 17. Oktober 2023 in einem Lichtbildervortrag an der Volkshochschule Leonberg unter dem Titel „Wohin geht die Leona“. „Leona“ hieß nicht nur die in der Schuhfabrikfabrik hergestellte Schuhmarke, sondern war auch die im Volksmund gebräuchliche Bezeichnung für die Fabrik insgesamt. Neu für die Besucherinnen und Besucher war unter anderem der Versuch, nicht nur einen zeitlichen Ausschnitt zu betrachten, sondern anhand von vorhandenem Bildmaterial einen Überblick über die gesamte Geschichte des in seinen ältesten Teilen über 200 Jahre alten Gebäude-Ensembles zu wagen: vom Bau eines Wohnhauses im Jahr 1821, dem heutigen Vorderhaus an der Eltinger Straße, in dem 1896 streikende Schuharbeiter eine genossenschaftliche Schuhproduktion aufnahmen, über die Zeit der Süddeutschen Schuhfabrik bis zur Einstellung der Produktion 1977, gefolgt von frühen Kunst- und Kulturaktivitäten ab den 1980er Jahren, der Etablierung als „Künstlerhaus“ seit 2006 und schließlich den öffentlichen Kontroversen über Abriss und Sanierung, Gründung des Vereins Kulturfabrik und dessen Aktivitäten zur Schaffung eines Kulturzentrums bis heute.   Ausgehend von der Frage, was die Alte Schuhfabrik so einzigartig macht, dass sie erhalten werden sollte, zitierte der Referent eine Aussage der vormaligen Stadtarchivleiterin Bernadette Gramm: die Alte Schuhfabrik sei das letzte erhaltene Fabrikgebäude aus der Leonberger Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts und zugleich letzte bauliche Zeugin der ursprünglich aus drei Fabriken bestehenden blühenden Leonberger Schuhherstellung. Hinzu kommt noch die sozialgeschichtliche Besonderheit, dass die Schuhfabrik ihre Existenz einem emanzipatorischen Akt der örtlichen Arbeiterbewegung von landes-, wenn nicht deutschlandweiter Seltenheit verdankt. Nicht zuletzt war es ein Glücksfall für die lokale und regionale Kunst- und Kulturszene, dass der letzte Fabrikbesitzer über 100 Jahre alt wurde und sich in nunmehr über 40 Jahren ein reger Kunst- und Kulturbetrieb in den Räumlichkeiten entwickeln konnte: vom Kunstverein „Glaskasten“ und dem Tonstudio „Roxanne“ über die Aktivitäten der internationalen Künstlerkooperative „Die Gruppe“ bis zur heutigen dritten Künstlergeneration und der Ansiedlung kunstnaher Dienstleistungen wie dem Fachgeschäft BILD+RAHMEN, der vhs-Kunstschule sowie der Galerie im Künstlerhaus. Zuletzt stellte der Vortrag die Frage, wie weit die Aktivitäten zur Erhaltung der Schuhfabrik als Standort für Kunst und Kultur an der Schnittstelle zwischen Altstadt und neuer Stadtmitte sowie inmitten neuer und gewachsener Wohn- und Geschäftsquartiere vorangekommen sind. Vor dem Hintergrund des in Diskussionen mit Gemeinderat und Verwaltung erzielten Doppelbeschlusses zu Teilerhalt und Neubau des Schuhfabrik-Ensembles sowie Suche nach einem Investor für die Sanierung beleuchtete der Referent die Interessen von Stadt, Verein Kulturfabrik und einem möglichen Investor, wog die Vereinsziele mit den realen Handlungsoptionen und bisherigen Aktivitäten ab und schloss mit einer Auflistung noch offener Fragen. An Letzteren entzündete sich dann noch eine lebhafte Gesprächsrunde mit den Vortragsbesuchern. Unter ihnen waren, wie vom Referenten erhofft, auch zwei betagte Zeitzeugen aus der Phase der Schuhfabrikation, deren engagierten Beiträge in die weiteren Nachforschungen einfließen werden.

Das war die 17. LaKuNa in der Alten Schuhfabrik: Schokolade für den Kopf

SCHOKOLADE FÜR DEN KOPF Inspiriert: Bei der LaKuNa 2023 hat das Publikum der Alten Schuhfabrik in Kunst gebadet „Kunst ist Schokolade für den Kopf“ – das Graffito einer jungen Besucherin auf der „Action Wall“ des Vereins Kulturfabrik brachte es auf den Punkt: Bei der 17. Langen Kunstnacht in der Leonberger Altstadt am 22. April war überdeutlich spürbar, dass sich das Publikum nach drei pandemiebedingten Jahren der öffentlichen Enthaltsamkeit wieder nach inspirierenden Live-Erlebnissen wie der LaKuNa sehnt. Entsprechend groß, gefühlt sogar noch größer als im Vorjahr, war das Besucherinteresse auch in der Alten Schuhfabrik mit ihren drei Gemeinschaftsateliers, der Galerie sowie den Räumen der vhs-Kunstschule. Hier geht´s zur Foto-Galerie. Das Publikum nutzte die Gelegenheit, um förmlich in Kunst zu baden. Eltern und Kinder hatten sichtlich Spaß daran, beim „experimentellen Malen mit wasserlöslichen Farben“ im Atelier Guggenbiller/Biesdorf selbst zum Pinsel zu greifen. Erstmals präsentierte dort die im vergangenen Herbst anstelle von Edeltraud Eisenhardt eingezogene Malerin Regina Biesdorf ihre Werke. Eine Etage höher staunten die Besucher über die neuesten ausdrucksstarken Porträts von Thomas Lang, der diesmal wegen Erkrankung seiner Atelier-Kollegin Karin Albrecht auch deren expressionistische Landschafts- und Stadtansichten mitbetreute. Schon im Treppenhaus des – diesmal gelb illuminierten – Ateliertrakts im Hinterhaus der Alten Schuhfabrik zog eine große Wandzeichnung mit Gräsern und Ranken von Sabine Rempp die Blicke auf sich, bevor im Gemeinschaftsatelier Heinemann-Schulz-Rempp die Künstlerin höchstpersönlich in die Saiten griff. Es war einer von mehreren Kurzauftritten des neuen Duos „Swingin´ Strings ´n more“, den die Malerin und Musikerin an diesem Abend mit ihrer Cello-Partnerin Ulrike Scholz an wechselnden Orten in der Schuhfabrik bestritt. „Scheint es nicht immer so zu laufen, dass du gar nicht weißt, was du hast, bis es (plötzlich) nicht mehr da ist?“, fragte der Maler Chris Heinemann, angelehnt an einen Song der kanadischen Folksängerin Joni Mitchell. Gemeint waren die zahlreichen Kunst- und Kulturstationen, die Leonberg vorzuweisen hat, und von denen der Künstler eine Auswahl von 30 Gebäuden und Gedenkstätten auf seinem neuesten Tinten-Aquarell-Gemälde versammelt hat. Eine Momentaufnahme, die zum Nachdenken über den Wert des lokalen Kunst- und Kulturbestands anregen sollte und die von den Besuchern zu einer Art Ratespiel genutzt wurde. Große Beachtung fanden wie immer die im Grenzbereich zwischen Konkret und Abstrakt angesiedelten Bildschöpfungen von Hannelore Schulz, die in ihrer Kunst unter anderem Eindrücke von Reisen in ferne Weltgegenden verarbeitet. Nebenan in der vhs-Kunstschule erfreuten sich wie immer die neuen Fauna- und Flora-Bilder der französischen Malerin und Kunstlehrerin Aurélie Cholley allergrößter Beliebtheit, während die farbenfrohen Exponate der Heimsheimer Künstlerin Barbara Kühn sowie von Tina Sandmann und Irmgard Wessely durch kunstvolle Blumengestecke veredelt wurden. Für viele begann der Hausrundgang bei Galeristin Carina Straub, die im Erdgeschoss die gewichtigen „Partituren“ in Stein und Papier des Bildhauers Hans Madlinger präsentierte. Den musikalischen Hintergrund besorgte eine junge Band, Snacks und Getränke gab es an der Bar und am Cocktail-Truck im Hof. Ebenda konnten sich die Flaneure auch auf zwei „Action Walls“ des Vereins Kulturfabrik austoben. Gefragt waren kreative, kritische und kuriose Statements, aber auch bildliche Darstellungen zur Frage, wie das Leben in der künftigen Kulturfabrik aussehen soll. Bei einer weiteren Kreativ-Station konnten die Besucher gegen eine kleine Spende ihre eigene Ansteckplakette gestalten. Vor dem Info-Stand des Vereins trafen sich Kunst- und Kulturinteressierte sowie Vertreter aus lokaler Politik und Wirtschaft zum locken Smalltalk, bei dem ein Thema auch war, wie es mit der vom Gemeinderat Mitte 2021 beschlossenen Sanierung des Anwesens weitergehen soll. Wegen des einsetzenden Nieselregens musste die Infotheke vorübergehend in den Eingang des angrenzenden Schuppens verlegt werden, was den angeregten Diskussionen jedoch keinen Abbruch tat. Spät abends ließen dann einige der letzten LaKuNa-Schwärmer die erlebnisreiche 17. LaKuNa im Atelier Heinemann-Schulz-Rempp bei einem Gläschen Gratissekt und entspannten Plaudereien in geselliger Runde ausklingen.

LaKuNa-Programm in der Alten Schuhfabrik

LAKUNA-PROGRAMM AM 22.04.2023 IN DER ALTEN SCHUHFABRIK: Ausstellungseröffnung, offene Ateliers, Gastkünstlerin, Musik und Aktionen 19.00-01 Uhr: Galerie: Ausstellung „Hans Madlinger – Partituren – Stein- und Papierarbeiten“ 19.00-01 Uhr: Ateliers: Offene Ateliers 19.00-20.00 Uhr: Atelier Guggenbiller/Biesdorf: Experimentelles Malen mit wasserlöslichen Farben 19.00-01 Uhr: Zu Gast in der vhs-Kunstschule: Aurélie Cholley aus der Partnerstadt Belfort mit neuen „Tierbildern“ 19.00-22 Uhr: Hof der Schuhfabrik: Infostand des Vereins „Kulturfabrik Leonberg e.V. mit Kunstaktionen „Gestalte Deine eigene Ansteckplakette“ und „Action Wall“ 19.30-19.45 Uhr: vhs-Kunstschule: Duo „Swingin´ Strings ´n more“ spielt „Rockiges“ 21.00-21.15 Uhr: Atelier Heinemann-Schulz-Rempp: Duo „Swingin´ Strings ´n more“ spielt südamerikanische Folklore 21.15-21.30 Uhr: Atelier Albrecht/Lang: Duo „Swingin´ Strings ´n more“ spielt Pop und Swing 22.30-22.45 Uhr: Atelier Guggenbiller/Biesdorf: Duo „Swingin´ Strings ´n more“ spielt „Rockiges“ 24.00-24.15 Uhr: Galerie: Duo „Swingin´ Strings ´n more“ spielt Pop und Swing Kurzfristige Änderungen vorbehalten.

Erfolgreich beendet: Werkschau der Ateliers in der Alten Schuhfabrik

Erfolgreich Beendet: Werkschau der Ateliers in der Alten Schuhfabrik Einheit in der künstlerischen Vielfalt Alle Exponate auf einer Ebene vereint und barrierefrei zugänglich. Die Ende Februar 2023 zu Ende gegangene erste gemeinsame Werkschau der drei Ateliers in der Alten Schuhfabrik in der Galerie im Künstlerhaus Leonberg hat sich betont vom bekannten Format der über zwei Etagen verteilten Offenen Ateliers während der Langen Kunstnacht abgesetzt.     Die von Gitarristin Sabine Rempp musikalisch umrahmte Vernissage fügte sich nahtlos ein in die Eröffnung der „Zukunftsstätte“ am 30. September 2022. Im Anschluss an den offiziellen Teil auf dem Vorplatz der Steinturnhalle begab sich die Besucherschar gewissermaßen durch die Hintertür der angrenzenden Schuhfabrik in die Galerieräume. Nach kurzer Begrüßung durch den Kulturfabrik-Vereinsvorsitzenden Chris Heinemann, einer Einführung in die Werkschau durch Katja Rohloff und ergänzenden Hinweisen von Kulturamtsleiter Jonas Pirzer traf man sich auf Einladung von Galeristin Carina Straub auf ein Gläschen Sekt im Foyer, bevor der Abend bei einer von Lichteffekten und elektronischen Klangteppichen ausgefüllten Soundperformance des Duos Ivan Zozulya und Fabian Holzwarth ausklang.   Bei den Exponaten liegt der Fokus weniger auf Aktualität als darauf, was ihre Schöpfer/innen voneinander unterscheidet und was über die Jahre kennzeichnend geworden ist für ihr künstlerisches Schaffen. So werden die Besucher gleich am Galerieeingang von einer in sonnenwarme Gelbtöne getauchten, großformatigen „Landschaft“ von Brigitte Guggenbiller empfangen. Große, detailreiche Gouachen zum Thema „Blattformen“ in Rot, Gelb und Blau, ergänzt durch kleine Figuren aus humorvoll kombinierten Fundstücken sowie Objektkästchen-Serien vermitteln einen Eindruck von der breit angelegten Tätigkeit der freischaffenden Künstlerin und Kunsttherapeutin, die von Malerei über Objektkunst und Skulpturen bis hin zu darstellerischen Elementen in der von ihr gegründeten Figurinengruppe „Schräge Vögel“ reicht. Expressive Farbgebung und ein energischer Pinselstrich kennzeichnen Karin Albrechts Öl-, Acryl- und Aquarellmalerei, so etwa eine „Kulissenschieberei“ titulierte, von Rottönen beherrschte Stadtszenerie. In ihren teils in heimischer Umgebung angesiedelten Landschaften („Am Warmbronner See“), ebenso wie in ihrem monumentalen Aktgemälde „Lea“ schimmern Einflüsse ihres Lehrers Werner Schmal und aus zahlreichen Kursen bei Frederick Bunsen (1984-2007 in der Schuhfabrik tätig) durch. Thomas Lang, ein erklärter Autodidakt, der anfangs in entmaterialisierten Licht-Farbe-Kompositionen aufging, fand später seinen Weg zu großformatigen Porträts. In Serien wie „Tanzend“ und „Porträt“ spürt er dem individuellen Gefühlsausdruck in Gesichtern nach, was durch die sparsame Farbgebung noch verstärkt wird. In Hannelore Schulz´ Acrylbildern spiegelt sich nicht nur ihre langjährige künstlerische Erfahrung. Die Künstlerin verarbeitet darin auch oftmals die auf Reisen, etwa nach Afrika oder Australien, gesammelten Eindrücke. Und nicht nur die: Auch mitgebrachte Materialien wie etwa Sand aus verschiedenen Weltregionen finden immer wieder collagehaft Eingang in die Gemälde der versierten Spachteltechnikerin. „Der Zustand der Welt“, Teil I und II, heißt ein Bilderpaar von Sabine Rempp, in dem das zeichnerische Talent der vielseitigen bildenden Künstlerin und Musikerin zutage tritt. Andere Werke wie die aus Kartonagen gefertigten Schildkröten-Variationen „Takoda I bis III“ oder „Fische putzen“ lassen das Umweltthema auch in der Wahl des Materials erkennen. Ausgehend von einer ursprünglich experimentellen Begegnung mit Künstlertinten beschäftigt sich Chris Heinemann seit den 1980er Jahren unter anderem mit fernöstlicher Malerei und der Verwendung von Papier als Malgrund. Tinten-Aquarellgemälde wie „Leon-Berg I“, „Noah Calling“ oder das Triptychon „Indien“ entstanden in der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, architektonischen Formen sowie lokalen, aber auch globalen Entwicklungen. Ebenfalls in der Schau vertreten ist Edeltraud Eisenhardt mit dem großformatigen Werk „einfach ANDERS“. Die Künstlerin hat sich erst kürzlich nach langen Jahren in der Schuhfabrik von ihrem dortigen Atelierplatz verabschiedet. Nicht Teil der Werkschau, aber dennoch in der Galerie zu sehen, sind die Tonfiguren der Bildhauerin Elvira Günther sowie zwei Serigrafien und die farbige Skulptur „Tulpen“ von Karin Bader. Im Verlauf des „Zukunftsstätte“-Festivals war die Werkschau meist zu den Veranstaltungszeiten und danach bis Ende Februar in der Regel zu den Öffnungszeiten des Fachgeschäfts BILD+RAHMEN zugänglich, wovon reger Gebrauch gemacht wurde.  

Chronik: Von der Alten Schuhfabrik zur Kulturfabrik

200 Jahre Gewerbe, Kunst und Kultur im Herzen der Stadt Wodurch unterscheidet sich die alte Schuhfabrik von anderen Industrie-Hinterlassenschaften? Wie kam es, dass dort seit 40 Jahren Kunst, Kunstpädagogik und kunstnahe Dienstleistungen blühen? Wir haben in einer knappen Chronik die 200-jährige Geschichte des Anwesens Eltinger Straße 11 nachgezeichnet.   Vorläufer: Wohnhaus und Färberei 1821 – 1896   Das heutige Vorderhaus der Alten Schuhfabrik Eltinger Str. 11 (Mitte rechts) um 1860 mit ehemaligem Feuersee. Quelle: Stadtarchiv Leonberg 1821 Der Steinhauer und Werkmeister Jung Heinrich Haueisen errichtet auf der Lamter ein zweistöckiges Haus mit zwei Wohnungen und Scheuer. 1856 Nach Zwischenbesitzern – ein Oberamtsgerichtsbeamter und ein Architekt – kaufen Färber das Anwesen und bauen ein Farbhaus an. September 1896 Als Reaktion auf die unnachgiebige Haltung des Leonberger Schuhfabrikanten Egidius Schmalzriedt während eines Arbeitskampfs in der Schuhfabrik Schmalzriedt in der Bahnhofstraße beschließen ausgesperrte Arbeiterinnen und Arbeiter, ihre eigene Schuhfabrik zu gründen. Oktober 1896 Der „Färbereibesitzer“ Gottlieb Laurer verkauft dem Schuhmachermeister Christian Popp für 19.500 Mark sein Anwesen an der Eltinger Straße 11.   Fabrik: Schuharbeiter-Genossenschaft und Süddeutsche Schuhfabrik 1896 -1977   Historische Ansicht: Die Süddeutsche Schuhfabrik auf einem Briefkopf vermutlich aus den 1930er Jahren. Quelle: Stadtarchiv Leonberg 1896 In dem von Schuhmachermeister Christian Popp erworbenen Anwesen gründen die ausgesperrten Arbeiter/innen eine Genossenschaft und bauen eine eigene Schuhproduktion auf. 1897 Aus unbekannten Gründen wird die Schuharbeitergenossenschaft aufgegeben. September 1897 Ein Kreditgeber, der Backnanger Lederfabrikant Karl Käß, übernimmt das Gebäude Eltinger Straße 11 und die Mitarbeiter der bisherigen Genossenschaft. 1898 Karl Käß lässt an Stelle des abgebrochenen Farbhauses ein massives zweistöckiges Fabrikgebäude errichten: Grundlage für das heutige Aussehen. 1910 Wilhelm Käumlen wird neuer Eigentümer und leitet die Firma über beide Weltkriege hinweg. Er erhöht das Fabrikgebäude um ein drittes Stockwerk und lässt Fabrikschornstein und Kesselhaus entfernen. 1928/29 Käumlen baut neben dem Fabrikgebäude ein Wohnhaus. 1941 Die Inschrift „W.K. 1941“ über dem hinteren Eingang im Hof deutet auf das Bau- oder Umbaujahr des hinteren Anbaus hin. 1946 Zuerst kommt Erich Hägele, Neffe von Karl Käumlen, als Gesellschafter hinzu, gefolgt von Alfred Kercher 1949. 1977 Unter dem letzten Fabrikbesitzer Erich Hägele wird die Schuhproduktion eingestellt.   Freiraum: Frühe Kunstaktivitäten 1980 – 2002   Alte Schuhfabrik Leonberg: Ansicht mit blühenden Kastanienbäumen. Foto: ch 1980 Fabrikbesitzer Erich Hägele vermietet an Studenten der Kunstakademie Stuttgart Räume für Ateliers und Ausstellungen im 2. OG; diese gründen 1981 den „Glaskasten e.V.“. 1984 Der Maler und Grafiker András Markós bezieht eines der Ateliers. Markós ist Initiator der 1983 in Leonberg gegründeten Künstlergemeinschaft „Die Gruppe“ mit unter anderen Hans Mendler, Frederick Bunsen und Gert Fabritius. 1984 bis 1990 (erneut 1996 bis 2007) Frederick Bunsen übernimmt das Atelier des Leonberger Malers Matthias Keller. 1986 Erich Hägele überlässt Markós das EG für Ausstellungen und eine Radierwerkstatt. 1993 Markós gründet mit dem Stuttgarter Galeristen Gerhard Walz den Glaskasten Verlag. Illustre Ausstellungsgäste wie Josef Beuys, Björn Engholm (SPD) und Albert Scarlione (USA). Bis zu seinem Auszug 2002 betreibt Markós u.a. Kunsthandel, Atelier und Druckerei. 1997 Frederick Bunsens Kunstschüler beziehen auf Initiative von Karin Albrecht ein Gemeinschaftsatelier in der ersten Etage.   Künstlerhaus: Ateliers, Fachgeschäft, Kunstschule, Galerie und Kunstnacht 1996 – 2019   Lange Kunstnacht: Das „Künstlerhaus“ in der Alten Schuhfabrik zieht alljährlich Besucherscharen an. Foto: ch 1996 Markós gewinnt den Leonberger Galeristen Dieter Hausner, der im Vorderhaus das Fachgeschäft Bild + Rahmen eröffnet. Hausners Nichte Carina Straub und ihr Team führen seit 2004 das Geschäft weiter. 2000 Die von Matthias Keller 1988 gegründete Jugendkunstschule zieht vom Hof des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in die Glaskasten-Räume und wird zur VHS-Kunstschule. 2005 Carina Straub eröffnet im EG der Alten Schuhfabrik ihre „Galerie im Künstlerhaus“ mit Ausstellungen namhafter Künstler, darunter Max Ackermann, Otto Herbert Hajek, HAP Grieshaber und Hans Daniel Sailer. 2006 Seit Einführung der alljährlichen Langen Kunstnacht in der Leonberger Altstadt setzt sich die Bezeichnung „Künstlerhaus“ für die Alte Schuhfabrik durch: Gemeinschaftsateliers, Galerie und vhs-Kunstschule ziehen Besucherscharen aus der ganzen Region an. 2006 Erich Hägele stellt dem Stadtmuseum die erste Etage als Lager für stadtgeschichtlich wertvolle Objekte zur Verfügung. Das dortige Gemeinschaftsatelier wird um zwei Drittel verkleinert. 2007 Nach Frederick Bunsens Auszug übernimmt Chris Heinemann Bunsens Atelier in der zweiten Etage und begründet ein neues Gemeinschaftsatelier. 2015 Nach dem Tod Erich Hägeles (25.04.1912-29.03.2014) verkauft die Erbin „Christoffel Blindenmission Bensheim“ die alte Schuhfabrik an die Stadt Leonberg. 2016 Tobias Kegler eröffnet sein Fotografen-Atelier in der Galerie im Künstlerhaus und unterstützt die Galerie bei den Ausstellungen. 2018 Das Lager des Stadtmuseums im 1. OG der Schuhfabrik wird erneut auf Kosten des Ateliers erweitert. Nach Verhandlungen ziehen Karin Albrecht und Thomas Lang ins 2.OG um.   Alternative zum Abriss: Initiative und Verein für eine Kulturfabrik 2019 Als Reaktion auf Forderungen nach einem Abriss der alten Schuhfabrik treffen sich die Nutzer/innen zu Hausversammlungen und beginnen, die Geschichte aufzuarbeiten. April 2019 Bei der 14. Langen Kunstnacht protestieren die Hausnutzer/innen mit Plakaten im Haus und Stellungnahmen in der Lokalpresse gegen den drohenden Abriss. Juli 2019 Bei einer LaKuNa-Besprechung unterzeichnen mehr als 30 Teilnehmer/innen eine Resolution. Oktober 2019 Übergabe einer Resolution für Erhalt und Sanierung des Leonberger Künstlerhauses mit mehr als 30 Unterschriften von LaKuNa-Teilnehmer/innen an OB Martin G. Cohn. Die Hausnutzer/innen gründen die Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) und wählen einen Sprecherkreis: Chris Heinemann, Karin Albrecht und Tobias Kegler. Die KZ-Gedenkstätten-Initiative Leonberg solidarisiert sich mit der IKKL. Februar 2020 Die Initiative stellt einen Konzept-Vorschlag für die Umwandlung zur Kulturfabrik vor. November 2020 /  Mai 2021 In zwei Sitzungen einer vom Gemeinderat gebildeten Projektgruppe aus Fraktionsvertretern, Verwaltung und IKKL-Sprecherkreis wirbt die IKKL für ihren Konzept-Vorschlag. Juli 2021 Der Gemeinderat fasst zwei Beschlüsse zur Zukunft der alten Schuhfabrik: 1. Die alte Schuhfabrik soll teilweise saniert werden: das Vorderhaus und eventuell auch der hintere Fabrikanbau sollen abgerissen werden. 2. Die Sanierung soll nicht die Stadt, sondern ein privater Investor übernehmen. August 2021 Die IKKL kritisiert in einem Leserbrief an die LKZ, dass Stadträte in öffentlichen Äußerungen das Projekt Kulturfabrik verschweigen und stattdessen den Eindruck erwecken, als gehe es bei der Sanierung nur um die privaten Interessen von „ein paar Künstlern“. Oktober 2021 14 engagierte Bürger/innen, Mitglieder der Hausgemeinschaft und außenstehende Kulturschaffende,