Anm. 1: Antwort auf den Leserbrief „Es gibt nur drei Alternativen“ vom 17.12.2018 in der Leonberger Kreiszeitung (LKZ) (versandt am 22.12.2018)

Der Autor will glauben machen, es gebe nur die von ihm genannten drei Alternativen. Tatsächlich ist die Wirklichkeit oft komplexer und erfordert entsprechend durchdachte und weitsichtige Lösungen, die auch andere Gesichtspunkte wie etwa Kultur und Kunst als sogenannte weiche Standortfaktoren mit in den Blick nehmen. 

Leonberg hat in den vergangenen mehr als zehn Jahren von den Aktivitäten der Künstlerszene erheblich profitiert und sich, insbesondere mit der Langen Kunstnacht, ein weit über die Region hinaus strahlendes Image als weltoffene Stadt der Kreativen erarbeitet. Die Stadt und ihre verantwortlichen Akteure in Verwaltung und Gemeinderat müssen sich darüber klar werden, ob sie dieses Image mit einer womöglich kurzschlüssigen Entscheidung wieder über Bord werfen wollen. Es geht auch darum, welche Bedeutung einer lebendigen Kunstszene in Zukunft in einem demokratischen Gemeinwesen beigemessen werden soll. 

Kunst aber braucht Freiräume. Das hat der verstorbene Eigentümer der ehemaligen Süddeutschen Schuhfabrik, Erich Hägele, frühzeitig erkannt und seit den 1970er Jahren Kunststudenten zu günstigen Bedingungen Atelier- und Ausstellungsräume überlassen. Die Stadt verdankt es der vormaligen Kulturamtsleiterin Christina Ossowski, dass sie das in der – damals noch in Privatbesitz befindlichen – alten Schuhfabrik versammelte kreative Potenzial erkannt und für eine Imageaufwertung der gesamten Stadt nutzbar gemacht hat. So wurde aus einem unscheinbaren alten Fabrikgebäude das bekannte Künstlerhaus, um das Leonberg andernorts auch beneidet wird. 

„Wir sanieren das Gebäude und subventionieren einige „Künstler“ der Stadt“, stellt der Autor als erste Alternative zur Wahl. Damit wird der falsche Eindruck erweckt, die Künstler seien die Hauptnutznießer des Gebäudes. In Wirklichkeit wurden die Künstlerateliers mit den Jahren, zuletzt wieder 2017, auf die anteilmäßig kleinste Fläche innerhalb des Gebäudes zusammengedrängt, weil die Stadt nach und nach immer mehr Platz für ihre historische Sammlung beanspruchte. Neben der Galerie im Erdgeschoss und dem Bild- und Rahmen-Geschäft im Vorderhaus ist es die Stadt, die mit ihrem Lager im ersten OG und der VHS-Kunstschule im zweiten OG den meisten Raum belegt. Insofern käme eine Sanierung in erster Linie der Stadt selbst zugute. Das sollte man nicht verschweigen.

Was den etwas anrüchig klingenden Gebrauch des Worts „subventionieren“ durch den Autor angeht, gilt es festzuhalten, dass Kunst allgemein in den seltensten Fällen ohne eine gewisse Form von Subventionierung ausgekommen ist. Wenn der Autor mit „subventionieren“ jedoch unterstellen wollte, dass die Künstler mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, wäre das eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Die Ateliergemeinschaften im Künstlerhaus zahlen schon immer Miete, früher an den Privateigentümer, heute an den neuen Eigentümer Stadt Leonberg. Die Miete ist dem Zustand des Gebäudes angemessen. Auch deshalb ist sie für die Künstler bezahlbar. 

Kunst und Kultur waren und sind immer auf solche Nischen und Freiräume angewiesen, um sich unabhängig entfalten zu können. Das Vorhandensein und die Wertschätzung solcher Freiräume sind auch ein Merkmal einer freiheitlich gesinnten Gesellschaft. Allen Despoten und Populisten waren und sind Freidenker, Künstler und Kulturschaffende ein Dorn im Auge, weshalb sie versuchen, diese an den Rand zu drängen, zu verunglimpfen und in letzter Konsequenz durch Verfolgung mundtot zu machen. 

Man muss Kunst und Künstler nicht mögen und über den persönlichen Kunstgeschmack lässt sich bekanntlich trefflich streiten. Aber das Wort Künstler in Anführungszeichen zu setzen, wie es der Autor tut, kann als Versuch einer vorsätzlichen unterschwelligen Abwertung gedeutet werden. Dies sollte, insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte, die mit der Abwertung und Verächtlichmachung einer Minderheit begann und am Ende ein ganzes Volk in die Katastrophe führte, unbedingt hellhörig machen. 

Als dritte Alternative schlägt der Autor vor, etwas für die Bürger der Stadt zu tun, die sich trotz Arbeit das Wohnen in Leonberg nicht mehr leisten können, und preiswerte Sozialwohnungen zu bauen. Ein Vorschlag, den angesichts der aktuellen Lage auf dem Wohnungsmarkt vermutlich viele unterschreiben werden. Die Frage ist nur: Muss man dafür eine Minderheit (die Künstler) gegen eine andere Minderheit (die auf Sozialwohnungen angewiesenen Bürger) ausspielen? Wer so argumentiert, muss sich fragen lassen, ob es ihm tatsächlich um das Wohl „der Bürger der Stadt“ geht oder vielmehr darum, Neid und Zwietracht zwischen den Bürgern zu säen. Denn wer garantiert uns, dass nicht bei nächster Gelegenheit auch besagte „Bürger der Stadt, die sich trotz Arbeit das Wohnen in Leonberg nicht mehr leisten können“ abgewertet und im gleichen Geist als Versager und/oder subventionierte Sozialschmarotzer verächtlich gemacht werden? 

Chris Heinemann und Karin Albrecht

für die Ateliergemeinschaften im 

Künstlerhaus Leonberg

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