Konzept Kurzversion: Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg

Im Folgenden dokumentieren wir den von uns erarbeiteten Konzeptvorschlag für eine künftige Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg. Für den schnellen Überblick bietet sich zunächst die folgende Kurzversion an. Wer mehr erfahren möchte, dem sei im Anschluss die Lektüre der ausführlichen Langfassung empfohlen. Sie gibt unter anderem Auskunft über den Nutzens des Projekts für die Bürger/innen und die Stadt, stellt Überlegungen zu Inhalten, Angeboten und Entwicklung der Nutzungsstruktur an, skizziert die zu ergreifenden Maßnahmen sowie eine mögliche künftige Organisationsstruktur und stellt erste Ideen einer ergänzenden Finanzierung vor.  KULTURFABRIK KÜNSTLERHAUS LEONBERG BEGEGNUNGSZENTRUM FÜR KUNST UND KULTUR ____________________________________________________ Konzeptentwurf Die Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus setzt sich für den Erhalt der alten Schuhfabrik und deren Umgestaltung in ein kulturelles Zentrum für Leonberg und seine Bürger*innen ein. In diesem ersten Konzept sind Vorschläge versammelt, die als Gesprächsgrundlage mit dem Gemeinderat und der Bevölkerung gedacht sind. Wir schlagen vor, das Gebäude der ehemaligen Schuhfabrik, inkl. Vorder- und Hinterhaus von innen und außen zu sanieren, so dass es den baulichen Bestimmungen gerecht wird und für neue, ausgeweitete Nutzungen attraktiver wird. Dabei wünschen wir, den rustikalen Fabrikcharme bestmöglich zu erhalten und somit einen historisch-modernen Hingucker für zukünftige Generationen von Bürgern und Besuchern zu schaffen. Hierbei wäre das Freilegen der Backsteinfassade des Fabrikgebäudes und des Fachwerks im Vorderhaus naheliegende Optionen. Die Außenflächen sollten in das Konzept der Sanierung und Nutzung mit eingeschlossen werden, evtl. als Areal Kulturfabrik-Steinturnhalle, mit Grünflächen und Parkmöglichkeiten, einem Kinderspielplatz und Sitzgelegenheiten zum Verweilen. _______________________________________________________ Zentrum für kreatives Denken und Schaffen in Leonberg Neben den bisher bereits aktiven Künstlerateliers und der VHS Kunstschule im Haus wünschen wir uns eine Öffnung des Hauses für weitere künstlerische und kulturelle Angebote: so könnten neue künstlerische Werkstätten im 1. OG entstehen, ein Gastatelier für auswärtige Künstler (z.B. aus den Partnerstädten) die lokale Szene bereichern und ein Veranstaltungsraum für Ausstellungen, Lesungen, kleinere Konzerte etc. genutzt werden. Ein kulturelles Angebot für alle Altersgruppen, von kreativen Mal- und Bastelinitiativen für Kinder, über Kunst- und Inspirations-Kurse und Workshops für Erwachsene sowie regelmäßige Feste rund ums Haus würden das Leben in Leonberg bereichern und das Haus als Sinn und Identifikation stiftendes Zentrum etablieren. Sobald für die Sammlung des Stadtmuseums neue, geeignetere Räumlichkeiten gefunden sind, steht ein weiteres Stockwerk zur Nutzung durch Dritte zur Verfügung, wie etwa die Initiative der KZ-Gedenkstätte, die dort eine öffentliche museale Bibliothek einrichten könnte. Auch die Nutzung durch andere Vereine oder Gruppen wird unterstützt. _______________________________________________________ Begegnungsstätte und Identifikations-Ort in Leonberg Angegliedert an die städtebauliche Achse Leo-Center—Altstadt, als Aushängeschild der Stadt auf dem Weg zum Reiterstadion und direkt neben dem neu entstehenden Post-Areal ist die Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg nicht nur optisch eine Auffrischung für das Stadtbild: Als Begegnungsstätte mit einem Cafe/Bistro mit Spielplatz lädt sie dazu ein, sich dort zu treffen, in dem Kreativ- & Kunstgewerbe-Laden Kunst, Geschenke oder Dekoration zu shoppen. Als Dienstleister finden sich dort der etablierte Bild + Rahmen Laden, evtl. erweitert um andere kunst/handwerkliche Betriebe, die bereits Interesse bekundet haben. Die Galerie hat schon jetzt einen deutschlandweiten Namen und bietet interessierten Bürgern der Region einen inspirierenden Rahmen für Events und als alternativen Treffpunkt für Groß und Klein. Denkbar wäre auch, einen kommunalen Kräuter & Gemüsegarten einzurichten, dessen Erträge in das Menü des Bistros einfließen. _______________________________________________________ Ist das Kunst oder kann das weg? Wir sprechen uns gegen einen möglichen Abriss und Wohnungsbau aus, welcher der Stadt zwar kurzfristig Einkommen bringt, aber das Gebiet um die Steinturnhalle dauerhaft unattraktiv macht. Mit der alten Schuhfabrik hat Leonberg ein einzigartiges Gelände an der Hand, was, wenn richtig umgesetzt, auf lange Sicht sowohl Stadtleben als auch Stadtbild attraktiver werden lässt und auch über die Stadtgrenzen hinaus Einfluss und Ansehen generieren wird. Als historisches und kulturelles Gegenstück zu neuen Wohnbereichen und kommerziellen Zentren ist das Areal der alten Schuhfabrik mit seiner Lage in der neuen Stadtmitte prädestiniert, ein weiteres Wahrzeichen für die Stadt und eine Bereicherung für alle Leonberger zu werden. _______________________________________________________ Erste Ideen zur Finanzierung Von Verein und Stadt getragen, durch Gewerbe im Haus unterstützt. Fördermittel von Bund und Land für den Umbau (evtl. Veranstaltungsreihen), Sponsoren & Partner aus den ansässigen Unternehmen, auch um deren Mitarbeiter an unser Haus zu binden. Fördermitgliedschaften. Als symbolische und tatsächliche Unterstützung der vorzunehmenden baulichen Maßnahmen werden von der Interessengruppe um die Initiative Gelder gesammelt. Wir sind uns bewusst, dass Kultur immer Geld kostet, sei es das Stuttgarter Staatstheater oder das LeoBad. In Kultur investiert man nicht, um Kapitalerträge zu ernten. Investitionen in kulturelle Einrichtungen sind immer Investitionen in die Zivilgesellschaft, in die Bildung und in das Werte-System, und somit auch erst einmal unabhängig von kommerziellem Erfolg. Kulturelle Einrichtungen erweitern den Horizont, binden an den Heimatort und schaffen Perspektiven, die es im Alltag oft nicht gibt. Kulturelle Einrichtungen sind aber auch Wahrzeichen, die weit über die Bewohner der Stadt hinaus Bindeglieder darstellen zwischen Welten und Fronten, Regionen und Einstellungen. Sie sind Orte zum Ausbrechen aus dem Alltag und dem Alltäglichen, wie ein Kurzurlaub, der inspiriert und bereichert. © Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) 2020 Lesen Sie auch die Langfassung unseres Konzepts

Reingeschaut: Besuch von der Bundespolitik

Reingeschaut: Besuch von der Bundespolitik Der FDP-Wahlkreisabgeordnete Florian Toncar informierte sich im Künstlerhaus Ende Juli 2020 trudelte bei der Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) eine E-Mail aus dem Böblinger Wahlkreisbüro der FDP ein: Der Bundestagsabgeordnete Florian Toncar ließ anfragen, ob er zu einem Informationsaustausch über die Lage von Künstlern und Kulturschaffenden in Leonberg inklusive Besichtigungstour durchs Künstlerhaus vorbeischauen könne. Während des am 11. August 2020 anberaumten rund einstündigen Besuchs ließ sich der Abgeordnete in Begleitung des Leonberger FDP-Stadtverbandsvorsitzenden Bernd Schönwald und des stellvertretenden Stadtverbandsvorsitzenden und FDP-Stadtrats Kurt Kindermann von IKKL-Mitgliedern durch die alte Schuhfabrik führen. Dabei erläuterten die IKKL-Vertreter das Zusammenspiel der vier im Künstlerhaus aktiven Kunstinstitutionen, bestehend aus Künstlerateliers, Fachgeschäft BILD+RAHMEN, Galerie im Künstlerhaus sowie VHS-Kunstschule. Vor dem Hintergrund der für diesen Herbst angekündigten Gemeinderatsentscheidung über Abriss oder Erhalt des mehr als 120 Jahre alten, letzten erhaltenen Zeitzeugens der Leonberger Industrialisierung warben die IKKL-Vertreter zugleich für dessen Sanierung und Ausbau zu einem Kunst- und Kultur-Begegnungszentrum für alle Bürgerinnen und Bürger aus Leonberg und der Region. Der 40-jährige Abgeordnete und Rechtsanwalt seinerseits sprach sich für eine konsequentere staatliche Unterstützung aller von der Corona-Krise existenziell bedrohten Kunst- und Kulturschaffenden aus und erkundigte sich nach der Situation in Leonberg. Die IKKL-Vertreter begrüßten das Engagement des Bundestagsabgeordneten und wiesen ergänzend darauf hin, dass zur Existenzsicherung auch die Erhaltung und Pflege der alten Schuhfabrik in Leonberg gehört, damit künstlerische und kulturelle Vielfalt in Leonberg auch in Zukunft einen Ort hat, an dem sie stattfinden kann.

Tunnelblick statt ganzheitlicher Betrachtung

Tunnelblick statt ganzheitlicher Betrachtung In die Entscheidung über die alte Schuhfabrik müssen auch Argumente für ihren Erhalt einfließen Eigentlich sollte die Grundsatz-Entscheidung über Sanierung oder Abriss der alten Schuhfabrik schon im Frühjahr 2020 fallen. Doch die Corona-Krise hat nicht nur unsere Planungen für ein Künstlerhausfest, sondern auch die Terminplanung von Stadtverwaltung und Gemeinderat durchkreuzt. Und so kam es, dass die entscheidende Gemeinderatssitzung bereits zwei Mal verschoben wurde. Jetzt heißt es, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstag, 17. November 2020, ab 19 Uhr über die alte Schuhfabrik entscheidet. Zukunftskonzept veröffentlicht Wir haben die Zeit genutzt. In den vergangenen Monaten haben wir unseren Vorschlag, wie es aus unserer Sicht mit der alten Schuhfabrik weitergehen sollte, noch einmal gründlich überarbeitet und auf den allerneuesten Stand gebracht. Das von uns vorgelegte Konzept entwirft, kurz gesagt, eine Zukunftsvision, wie das bestehende Künstlerhaus zu einem „Begegnungszentrum für Kunst und Kultur“ weiterentwickelt werden kann. Das neue Begegnungszentrum mit dem Namen „Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg“ soll nicht nur kunstinteressierte Menschen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger ansprechen. Ja, wir gehen sogar noch einen Schritt weiter: Wir schlagen die Einbeziehung der ebenfalls historischen Steinturnhalle in ein neu zu schaffendes „Kulturareal Steinstraße“ vor. Damit könnten die kulturellen Angebote von Künstlern, Kulturschaffenden und Vereinen zielgenau an der Schwelle zwischen Altstadt und neuer Stadtmitte gebündelt und zudem für eine dauerhafte Belebung der umgebenden alten und neuen Wohn- und Geschäftsviertel genutzt werden. Wer sich einen schnellen Überblick über unsere Vorschläge verschaffen möchte, findet eine Kurzversion unter „KKL-Doku“ auf dieser Internetseite. Wer sich darüber hinaus für weitere Einzelheiten interessiert, kann sich in die anschließende Langfassung vertiefen. Entscheidung rückt näher Bereits im Februar 2020 hatten wir als Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) unser Konzept an die Stadtverwaltung geschickt. Doch damals war die Kulturamtsleitung noch nicht wieder besetzt, dann kam die Corona-Krise und es tat sich erst einmal nichts. Erst im Juni 2020 kam es auf Einladung der IKKL zu einem ersten Treffen mit dem neuen Ressortchef inklusive Besichtigung der Schuhfabrik. Ende Juli 2020 präsentierte das Kulturamt dann einen „Fahrplan“ für diesen Herbst: erst eine Hausbegehung durch den Gemeinderat, dann Beratung in den Ausschüssen und zum Schluss Entscheidung durch den Gemeinderat. Fragwürdige Hausbegehung Schon im Vorfeld der für den 29. September 2020 anberaumten nichtöffentlichen Hausbegehung wollte die Stadtverwaltung unser Konzept den Bürgervertreter/innen zugänglich machen. Doch daraus wurde nichts. Begründung: Der Gemeinderat wolle sich zuerst ausschließlich mit dem baulichen Zustand befassen. Diese Herangehensweise wird unserer Ansicht nach der Sache nicht gerecht. Ein historisches Bauwerk wie die alte Süddeutsche Schuhfabrik, dessen älteste Teile fast 200 Jahre alt sind, darf nicht allein von seinem baulichen Zustand her beurteilt werden. Statt des verengten Blicks auf erwartbare altersbedingte Schäden und deren Folgekosten könnte eine ganzheitlich ausgerichtete Betrachtungsweise zu einem objektiveren Urteil führen. In eine solche ganzheitliche Betrachtung muss zum einen die historische Bedeutung der Schuhfabrik als letzter Zeitzeugin der Leonberger Industrialisierung und zum anderen ihre gegenwärtige Bedeutung für die lokale und regionale Kunst- und Kulturszene einbezogen werden. Nicht zuletzt gilt es auch, die zukünftigen Chancen zu berücksichtigen, die mit der von uns vorgeschlagenen Umwandlung des bestehenden Künstlerhauses in ein Kunst- und Kultur-Begegnungszentrum für alle Bürger/innen und die Stadt insgesamt verbunden sind.     Politik der Abrissbirne Es ist beklagenswert, dass es in Leonberg offenbar an historischem Bewusstsein mangelt. Einen Verein, der sich um die Pflege der Stadt- und Regionalgeschichte kümmert, sucht man hier vergebens. Da verwundert es nicht, dass die Politik der Abrissbirne bisher kaum auf Widerspruch stieß. Auf diese Weise hat Leonberg schon viele historische Gebäude verloren: Erinnert sei beispielsweise an das Schießhaus am alten Friedhof (aus dem Jahr 1602), an das aus dem 19. Jahrhundert stammende Wohnhaus des Züchters der Leonberger Hunde, Heinrich Essig, und an die ehemalige Schuhfabrik Schmalzriedt in der Bahnhofstraße. Erst ließ man die Gebäude verfallen, dann hieß es: zu teuer zum Sanieren. Dieses Muster darf sich bei der alten Schuhfabrik nicht wiederholen. Ein Abriss der alten Schuhfabrik wäre nicht wieder gutzumachen. Wo ein Wille ist Im Übrigen werden angeblich zu hohe Kosten – wie neuerdings auch die Steuerausfälle infolge der Corona-Krise – gerne als Argumente vorgeschoben, um eine zukunftsweisende Diskussion im Keim zu ersticken. Landauf, landab hat sich aber in vielen ähnlich gelagerten Sanierungsfällen gezeigt: Wo ein Wille ist, da ist meistens auch ein Weg. Nicht von ungefähr weisen Fachleute darauf hin, dass es genügend Beispiele gibt, wie auch mit geringen Mitteln auf respektable Art und Weise saniert und restauriert werden kann. Lesetipp zur Geschichte der alten Schuhfabrik: https://zeitreise-bb.de/schuh/  

Respektvoller Umgang auf Augenhöhe

Respektvoller Umgang auf Augenhöhe KKL-Interview: Der neue Leiter des Leonberger Amts für Kultur und Sport, Jonas Pirzer, über Kultur und die lokale Kulturszene   Mit dem Amtsantritt von Jonas Pirzer an der Spitze des Amts für Kultur und Sport am 1. April 2020 ging eine monatelange Vakanz zu Ende. Was für ein Mensch ist der neue Amtsleiter, was bewegt ihn und in welche Richtung könnte sich die Leonberger Kulturszene unter seiner Obhut entwickeln? Ein KKL-Gespräch mit dem 34-jährigen Kulturmanager und Musiker gibt erste Aufschlüsse. Herr Pirzer, Sie sind gebürtiger Münchner, obwohl man das nicht hört. Wie kommen Sie mit der schwäbischen Mundart zurecht? Jonas Pirzer: Ganz gut. Ich mag Dialekt. Vielleicht weil ich selbst keinen habe. Mein Vater kommt zwar aus einer Münchner Familie, aber meine Mutter aus Nordrhein-Westfalen, insofern hat man sich zuhause auf Hochdeutsch geeinigt. Dabei ist mein Schwäbisch, glaube ich, für einen Nichtschwaben vergleichsweise gut. Als Süddeutscher habe ich keine großen Probleme, die hiesigen Dialektvarianten zu verstehen. Obwohl, wenn ich daran denke, wie ich vor dem Studium mal auf der Schwäbischen Alb gejobbt habe – da hat mich die Mundart doch ein wenig herausgefordert. (schmunzelt) Was gefällt Ihnen an Leonberg und seinen Bewohnern? Da muss ich fairer Weise sagen, dass ich noch lange nicht genug von Leonberg und seinen Bewohnern kennengelernt habe. Aber ich bin natürlich zuversichtlich, dass sich das in den nächsten Jahren ändert. Was mir gefällt, ist die Ortsverbundenheit. Mir ist relativ schnell klar geworden, dass Leonberg auch aus seinen eingemeindeten Ortschaften besteht. Dass die Menschen sich weiterhin mit ihrer Ortschaft identifizieren, bringt eine gewisse Kontinuität mit sich, die ich sehr sympathisch finde. Als Amtsleiter sind Sie sowohl für Kultur als auch für Sport zuständig? Sind das zwei separate Bereiche oder sehen Sie zwischen beiden auch Schnittmengen? Aus meiner Sicht ist beides richtig. Es gibt natürlich Schnittmengen. Deshalb ist es auch gut, dass beide Bereiche verwaltungstechnisch verbunden sind. Sowohl Sport als auch Kultur spielen im Leben der Menschen eine wichtige Rolle, weil sie Identität stiften. Das haben beide gemeinsam. Trotzdem gibt es natürlich nicht immer nur überlappende Bereiche, sondern auch unterschiedliche Interessen und Akteure, die auch das Recht haben, unterschiedlich wahrgenommen und betreut zu werden. Mittlerweile haben Sie Vertreter beider Bereiche kennengelernt. Welche großen Anliegen und Wünsche aus dem Kulturbereich wurden bislang an Sie herangetragen? Momentan geht es natürlich viel um Unterstützung in der gegenwärtigen Corona-Zeit. Aber, wie Sie wissen, auch um die Frage: Wie geht es weiter mit der alten Schuhfabrik? Ein grundsätzliches Anliegen vieler Kulturschaffender ist es, die Vernetzung untereinander zu stärken. Auch geht es um die städtischen Möglichkeiten zur Unterstützung von Vereinen, die in Leonberg maßgebliche Kulturakteure sind – zum Beispiel durch die Überarbeitung der städtischen Vereinsförderrichtlinien. Um nur ein paar Anliegen zu nennen. Apropos Corona-Krise: Welche konkreten Möglichkeiten sehen Sie, unverschuldet in Existenznöte geratene Kulturschaffende seitens der Stadt zu unterstützen? Zunächst einmal weise ich darauf hin, dass es ja schon diverse Hilfsprogramme von Land und Bund gibt. Die Rolle der Stadt wäre dabei, zu beraten und zu informieren, an wen sich die betroffenen Kulturschaffenden wenden können. Das heißt natürlich nicht, dass wir nur passiv beraten. Darüber hinaus gehen wir mit dem Thema „ausgefallene Honorare“ sozialverträglich um und bemühen uns auch um das Nachholen von abgesagten Veranstaltungen, falls damit Einnahmeausfälle für Künstler verbunden waren. Bei Ihrer vorangegangenen Tätigkeit im Kulturamt der Stadt Esslingen haben Sie sich mit der Entwicklung einer Strategie befasst, die den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Teilhabe an der städtischen Kulturlandschaft ermöglicht. Inwiefern könnten von Ihren Erkenntnissen auch die Leonberger profitieren? Sicherlich ist es so, dass die Erfahrungen im Bereich der kulturellen Teilhabe in der einen Stadt in gewisser Weise auch auf andere Städte übertragbar sind. Dann geht es vor allem darum, Menschen für kulturelle Teilhabe zu begeistern. Eine wichtige – allerdings nicht neue – Erkenntnis ist, dass Kunst- und Kulturangebote in der Regel hauptsächlich von ganz bestimmten gesellschaftlichen Gruppen in Anspruch genommen werden. Ziel muss es sein, für eine höhere Durchlässigkeit zu sorgen. Wenn Sie so wollen eine stärkere Demokratisierung von Kunst. In Esslingen gibt es ein großes Kooperationsinteresse zwischen stadtgesellschaftlichen Akteuren und Einrichtungen aus dem Sozial- und Kulturbereich sowie dem Bildungsbereich. Zwar bin ich nun noch neu in Leonberg, habe jedoch schon viele Signale vernommen, dass es in Leonberg ähnlich ist. Welche Funktion und Bedeutung hat aus Ihrer Sicht die Kultur in einem Mittelzentrum wie Leonberg? Sicher nicht nur eine, sondern sehr vielfältige Funktionen: Die Kultur ist zum Beispiel ein Impulsgeber für die Freizeitgestaltung und für das individuelle Seelenleben abseits der täglichen Arbeit. Es geht um Tradition und Identitätsstiftung. Aber auch ein bisschen um Reibung und kreative Störung, was meiner Meinung nach einer Stadtgesellschaft von Zeit zu Zeit gut tut. Die Auseinandersetzung auch mit unbequemen Themen ist wichtig. Welche Rolle spielt in Ihren Überlegungen zur Zukunft der Kultur in Leonberg die freie Kulturszene, seien es freischaffende Künstler, Musiker oder andere Selbstständige im Kulturbereich? Da ich selbst aus der freien Kulturszene komme, liegen mir diese Akteure sehr am Herzen. Ich denke darüber nach, was getan werden kann, um die Freischaffenden zu stärken und ihnen einen Raum zu schaffen, in dem sie produktiv arbeiten können. Ich halte sie für wesentliche Impulsgeber, weil es in einem Mittelzentrum wie Leonberg nun mal keine Institutionen wie ein Stadttheater oder eine Kunstakademie gibt. Hier kommen die Impulse im Wesentlichen von den freien Kulturschaffenden. Ob freischaffend oder angestellt: Worauf legen Sie beim Umgang mit den Kulturschaffenden Wert? Mir ist ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe wichtig. Die Augenhöhe ergibt sich vor allem daraus, dass gemeinsam versucht wird, Ziele auszuloten und diese dann auch partnerschaftlich umzusetzen. Ebenso ist es wichtig, dass wir als Stadt auch mal Zuschüsse zur Verfügung stellen, mit denen die kulturellen Akteure vergleichsweise frei agieren können. Fällt Ihnen dafür ein Beispiel ein? Nehmen wir an, Sie und Ihr Kulturverein möchten eine neue, interdisziplinäre Veranstaltungsreihe mit Tanz, Musik und Literatur ins Leben rufen. Dann entwickeln Sie ein Konzept und beantragen bei uns eine Förderung. Wir können Sie sowohl finanziell als auch inhaltlich unterstützen. Sie sind nicht nur studierter Kulturmanager, sondern haben auch ein

Ausblick: Wie geht es weiter?

Ausblick: Wie geht es weiter? Mit der detaillierten Ausformulierung ihrer zuvor im Haus diskutierten und abgestimmten Vorstellungen hat die KKL-Initiative den ersten Schritt hin zu einem konstruktiven Gespräch mit Stadtverwaltung und Gemeinderat getan. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob das Bewusstsein in der Stadt für den Wert einer gewachsenen und bewährten Kulturinstitution wie der Kulturfabrik Künstlerhaus groß genug ist, um deren Bedeutung für eine demokratische, offene und kulturell vielfältige Stadtgesellschaft auch in Zukunft zu erkennen und zu bewahren. Die Initiative KKL wird in den kommenden Wochen und Monaten dahingehend ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärken.

Rückblick: Was geschah bisher?

Rückblick: Was geschah bisher? Mit dem Tod ihres letzten Eigentümers Erich Haegele am 29. März 2014 ging für die ehemalige Süddeutsche Schuhfabrik an der Eltinger Straße in Leonberg eine Ära zu Ende: Knapp 120 Jahre lang, seit 1896, war sie in Privatbesitz gewesen. Nun wurde sie von den Erben mit Wirkung zum 1. Januar 2015 an die Stadt Leonberg verkauft. Für die zumeist seit Jahrzehnten im inzwischen als Künstlerhaus weithin bekannten Gebäude angesiedelten Nutzer, von den drei Ateliergemeinschaften über den Laden BILD+RAHMEN mit angeschlossener Galerie im Künstlerhaus bis zur städtischen VHS-Kunstschule, änderte sich erst einmal nichts. Die Stadt, die bisher selbst nur einer von mehreren Mietern im Haus gewesen war, übernahm als neuer Eigentümer alle bestehenden Mietverträge. Künstlerische Aktivitäten, Workshops, Ausstellungen, Bild- und Rahmenverkäufe sowie Lehrtätigkeiten liefen wie gewohnt weiter. Abriss-Forderungen Doch ein großes Anwesen in dieser zentralen Innenstadtlage weckt früher oder später Begehrlichkeiten. Nachdem zuvor auf dem lange brach gelegenen Nachbargrundstück, das einst die Privatvilla der früheren Fabrikbesitzer beherbergte, die Seniorenresidenz Seegarten entstanden war, wurden Stimmen laut, die nun einen Abriss des Künstlerhauses forderten. Insbesondere einzelne Sprecher der Freien Wähler und der CDU im Gemeinderat nutzten den sich abzeichnenden Wohnraummangel, um von eigenen Versäumnissen bei der Planung der in direkter Nachbarschaft entstehenden neuen Wohnquartiere auf dem Layher- und Post-Areal abzulenken. Die dort nicht realisierten bezahlbaren Wohnungen werden nun ausgerechnet auf dem Künstlerhaus-Gelände eingefordert. Mit wachsendem Unbehagen verfolgten die Nutzer die teils von populistischen Untertönen durchzogene öffentliche Debatte. Bis Ende 2018 ein provokanter Leserbrief in der örtlichen Tageszeitung zu einer gemeinsamen Stellungnahme (Anm. 1) geradezu herausforderte. Die Stellungnahme wurde ausschnittsweise in der  Leonberger Kreiszeitung (LKZ) wiedergegeben (Anm. 2). Resolution für Erhalt und Sanierung Da die Sichtweise der Betroffenen ebenso wie der kunst- und kulturinteressierten Öffentlichkeit in der bisherigen Debatte so gut wie keine Rolle gespielt hatte, beschlossen die Nutzer, sich von nun an selbst Gehör zu verschaffen. Man traf sich zu Hausversammlungen, diskutierte die lokalpolitische Situation, erarbeitete eine während der 14. Langen Kunstnacht (LaKuNa) im April 2019 mit beträchtlicher Aufmerksamkeit der Besucher und der Lokalpresse vorgestellte Plakataktion zur bewegten Geschichte des Hauses (Anm. 3) und verabschiedete eine Resolution für Erhalt und Sanierung des Künstlerhauses (Anm. 4). Diese wurde Anfang Juli bei der alljährlichen LaKuNa-Besprechung von der überwiegenden Mehrheit der über 40 anwesenden Teilnehmern mit ihrer Unterschrift unterstützt und am 2. Oktober 2019 von einer Delegation der Hausnutzer an Leonbergs Oberbürgermeister Martin G. Cohn überreicht. Gründung der Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg Um sich einen Eindruck zu verschaffen, welche Potenziale eine künftig für nötig erachtete Öffnung des Leonberger Künstlerhauses für breitere kunst- und kulturinteressierte Kreise freisetzen könnte, besichtigte eine Gruppe im August das Künstlerhaus Stuttgart. Dieses weist eine in Teilen ähnliche Geschichte auf wie sein Leonberger Pendant.   Die gewonnenen Eindrücke mündeten in einen von September bis November unter Leitung des Kurators der Galerie im Künstlerhaus, Tobias Kegler, veranstalteten Inhouse-Workshop. Dabei konkretisierten die Hausnutzer nicht nur ihre Argumente für Erhalt und Sanierung des Künstlerhauses und trugen die Bausteine für eine künftige erweiterte Hausnutzung zusammen. Sie gaben sich auch erstmals einen organisatorischen Rahmen: Im Verlauf der 4. Hausversammlung am 9. Oktober 2019 wurde die Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) gegründet. Die neue Initiative wird von einem dreiköpfigen Sprecherkreis aus Chris Heinemann (Sprecher) sowie Karin Albrecht und Tobias Kegler (Stellvertreter) nach außen vertreten. Vorschlag für künftiges Nutzungskonzept Parallel hatte das Sprechertrio bereits mit der Erarbeitung eines eigenen Vorschlags für ein künftiges Nutzungskonzept begonnen. Ende Januar 2020 wurde es fertiggestellt und am 24. Februar 2020 an die Verantwortlichen der Stadt Leonberg versandt.

Die Kunst spricht förmlich durch die Wände

Die Kunst spricht förmlich durch die Wände KKL-Interview: Kunstprofessor Frederick D. Bunsen über die erste Künstlergeneration in der Alten Schuhfabrik   Herr Professor Bunsen, lieber Frederick, welche Bedeutung hatte aus Ihrer Sicht die 1979 stillgelegte Süddeutsche Schuhfabrik für die Künstlerszene in Leonberg in den 1980er Jahren? Frederick Bunsen: Darüber möchte ich mir kein abschließendes Urteil erlauben. Was man aber sicher sagen kann, ist, dass es in der Schuhfabrik bereits den legendären „Glaskasten“ gab. Das war ein 1981 von Bernd Mack und anderen gegründeter Kunstverein mit angeschlossenen Künstlerateliers. Da waren zu dieser Zeit und auch später noch Werke von Künstlern zu sehen, die man sonst nirgends zu sehen bekam. Insofern hatte die frühere Schuhfabrik eine wichtige Funktion bei der Verbreitung junger, noch nicht etablierter, avantgardistischer zeitgenössischer Kunst. Ich denke zum Beispiel an eine Ausstellung des rumänisch-stämmigen Bildhauers und „Glaskasten“-Mitbegründers Johannes Kares im Jahr 1981. Kares hat später bekanntlich die 2005 errichtete monumentale „Namenswand“ aus Stahl vor der KZ-Gedenkstätte am alten Engelbergtunnel geschaffen.

Resolution für Erhalt und Sanierung Künstlerhaus Leonberg

Resolution für Erhalt und Sanierung Künstlerhaus Leonberg verabschiedet bei der LaKuNa-Nachbesprechung am 1. Juli 2019 Die Versammelten setzen sich für den Erhalt und die Sanierung des Leonberger Künstlerhauses in der ehemaligen Schuhfabrik Hägele ein mit dem Ziel, dieses unter Beibehaltung des Namens „Künstlerhaus Leonberg“ zu einem Begegnungszentrum für Kunst- und Kultur auszubauen.