„Das wäre für jede Stadt eine Bereicherung“

Interview: Der Maler und Objektkünstler Wolfgang Schäfer über seine Rolle bei der Gründung des Kunstvereins Glaskasten in der Schuhfabrik Anfang der 1980er Jahre

„Das wäre für jede Stadt eine Bereicherung“

 

Wolfgang Schäfer.
Foto: Chris Heinemann

Herr Schäfer, in letzter Zeit scheint sich eine Krise an die andere zu reihen – Klimakrise, Pandemie, Krieg in der Ukraine, Verteuerung der Lebenshaltungskosten – macht Ihnen diese Häufung manchmal Angst?

Wolfgang Schäfer: Nein. Das macht mir keine Angst. Im Vergleich dazu, was die ältere Generation durchgemacht hat, ist das gar nichts. Wir haben jetzt 70 Jahre in Frieden gelebt und sind sehr verwöhnt. Wer in den 1970er Jahren „Die Grenzen des Wachstums“ vom Club of Rome gelesen hat, weiß Bescheid. Der Mensch meint immer, alles beeinflussen zu können. Jetzt sieht man, dass das nicht so ist.

Sie finden also an diesen Krisen nichts Besonderes?

Nein. Wer wie ich aus der evangelischen Jugendbewegung kommt, war schon immer umweltbewusst. Der Ukraine-Krieg ist nicht erfreulich. Aber es war vorhersehbar, dass es so kommen wird. Es wird noch tiefere Veränderungen geben. Trotzdem habe ich keine apokalyptischen Vorstellungen.

Themenwechsel: Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an Leonberg denken?

Zuerst die Geburt meiner Töchter, die im Leonberger Kreiskrankenhaus zur Welt gekommen sind. Dann meine Zeit als Kunsterzieher am Johannes-Kepler-Gymnasium, aus der ich noch freundschaftliche Beziehungen zu einigen ehemaligen Kollegen habe. Und natürlich die Gründung des Vereins Glaskasten.

Erinnern Sie sich noch, wie es dazu kam?

Der spätere Gründer der Leonberger Jugendkunstschule Matthias Keller, der bei mir im Leistungskurs war, ging nach dem Abi an die Stuttgarter Kunstakademie. Dort lernte er andere Kunststudenten kennen, die in der Alten Schuhfabrik aktiv werden wollten. Aber vor dem Abschluss eines Mietvertrags verlangte der Eigentümer Sicherheiten, dass die Miete jeden Monat pünktlich überwiesen wird. Deshalb fragte mich Matthias Keller, ob ich als Hauptmieter auftreten könnte.

Das haben Sie gemacht?

Ja, ich war damals der einzige in unserem Kreis mit einem festen Monatseinkommen. Wir haben das ganze zweite Obergeschoss angemietet. Wir haben den Verein gegründet und im Winter 1980/1981 die Räume auf eigene Kosten hergerichtet. Ich hatte Handwerker an der Hand, die uns unterstützt haben, sodass wir nur das Material bezahlen mussten. Die Grundreinigung sowie das Abschleifen und Streichen haben wir selber gemacht.

Und wer waren Ihre Untermieter?

Insgesamt waren wir 15 Mieter, darunter Matthias Keller, der begabte Graphiker und Holzschnittkünstler Rolf Hausberg, der Graphiker Bernd Mack, die Malerin Charlotte Scheffel und der Bildhauer und Maler Johannes Kares.

Wie haben Sie im zweiten OG Platz für 15 Leute geschaffen?

Es hatte nicht jeder ein eigenes Atelier. Vielmehr haben wir die Etage in mehrere Räume unterteilt, die jeweils zwei gemeinsam genutzt haben. Das waren natürlich sehr kleine Kojen. Ich erinnere mich noch an meine: die hintere Treppe hoch, oben links. Da hatte ich vom Winter 1980/81 bis Herbst 1984 mein Atelier.

Das hört sich nach harmonischem Zusammenleben mit den anderen Glaskasten-Mitgliedern an?

Ein Zusammenleben in dem Sinn gab es nicht. Wir waren ja keine Gruppe mit gleichen künstlerischen Interessen. Neben Malern, Graphikern und Bildhauern gab es auch einen Fotografen, eine Puppenspielgruppe und die Popgruppe „Cocoon“, die bei uns geprobt hat. Was uns verbunden hat, war die Idee, das gemeinsam durchzuziehen. Was nicht immer ganz leicht war.

Aber es gab doch gemeinsame Ausstellungen …?

Ja, die erste gemeinsame Ausstellung fand vom 1. bis 29. März 1981 statt. Das war auch der Moment, wo ich das Gefühl hatte, dass wir etwas erreicht haben. Wir haben auch außerhalb Leonbergs ausgestellt, zum Beispiel in der Partnerstadt Belfort. Die meisten Ausstellungen habe ich als Glaskasten-Vorsitzender eröffnet. Und es gab auch größere Einzelausstellungen im Glaskasten, sogar von externen Künstlern, die nicht Mitglied im Glaskasten waren.

Ließ sich der Vermieter und Fabrikbesitzer Erich Hägele bei Ihren Ausstellungen blicken?

Ja, obwohl ihm die Kunst ein bisschen fremd war. Er war ein sehr freundlicher Mensch. Ich habe gute Erinnerungen an ihn. Als Hauptmieter war ich ja die Kontaktperson zu ihm und seiner Sekretärin.

Wenn Sie an Ihre eigene künstlerische Entwicklung denken: Hat Sie die Zeit in der Schuhfabrik weitergebracht?

Aus heutiger Sicht ist in den knapp vier Jahren, die ich mein Atelier in der Schuhfabrik hatte, die künstlerische Arbeit zu kurz gekommen. Einen Kunstverein wie den Glaskasten auf die Beine zu stellen und am Laufen zu halten, ist viel Arbeit. Wenn ich mal im Glaskasten war, musste ich auch auf unsere kleine Tochter aufpassen. Die hat dort auf dem Fußboden große Bilder gemalt.

1984 sind Sie dann aus dem Glaskasten ausgestiegen und für sieben Jahre zum Unterrichten an die Deutsche Schule in Madrid gegangen. Was hat Sie künstlerisch am meisten beschäftigt?

Ich war zuerst sehr interessiert an Graphik, später mehr an der Malerei. Durch die Jahre begleiten mich die Illustration phantastischer Dinge, aber auch Landschaften. Ich war viel auf der Alb unterwegs und habe dort gemalt. Auch in Spanien habe ich Landschaften gemalt und in Madrid auch ausgestellt. An der dortigen Deutschen Schule war ich auch in der schulischen Theater-AG engagiert, habe das Bühnenbild, Plakate und Einladungskarten entworfen und selbst mitgespielt.

Zurück zur Schuhfabrik: Was halten Sie als Ehemaliger davon, dass sich heute Bürgerinnen und Bürger aus Leonberg und darüber hinaus für ein kulturelles Begegnungszentrum in der Alten Schuhfabrik stark machen?

Daran müsste eigentlich jede Stadt ein Interesse haben. Das wäre für jede Stadt eine Bereicherung. Ich fände es sehr schade, wenn dieser Kulturstandort nicht erhalten bliebe. Für Ihr Vorhaben wünsche ich Ihnen alles Gute!

Die Fragen stellte Chris Heinemann

 

Zur Person

Wolfgang Schäfer, Jahrgang 1949, ist gebürtiger Reutlinger. 1977 bis 1984 war er als Kunsterzieher am Johannes-Kepler-Gymnasium in Leonberg tätig, anschließend bis 1991 an der Deutschen Schule in Madrid. Seitdem lebt und arbeitet der Maler und Oberstudienrat a.D. in Reutlingen und Tübingen.

Künstlerischer Werdegang

Seit 1981 zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen. Bilder und Objekte von Wolfgang Schäfer finden sich in privaten Sammlungen, zum Beispiel auch in Leonberg.

Wer Interesse hat, aktiv an der Umsetzung der genannten Ziele mitzuarbeiten und/oder die Arbeit des Vereins passiv durch finanzielle oder materielle Zuwendungen zu unterstützen, kann dies per E-Mail mitteilen an: info@kulturfabrik-leonberg.de

Wir freuen uns über jede Zuschrift und nehmen zeitnah mit Ihnen Kontakt auf!