„Jegliche Inspiration von außen fehlt“

Nachgefragt: Kulturschaffende aus Leonberg und der Region über ihr Leben in der Coronakrise „Jegliche Inspiration von außen fehlt“ Wie im ganzen Land sind auch in Leonberg und der Region Kulturschaffende durch die Corona-Kontaktbeschränkungen der vergangenen zwölf Monate massiv in ihrer Berufsausübung beeinträchtigt. Viele leiden unter stornierten Aufträgen und fehlender Live-Rückkopplung. Wer nicht genügend auf der hohen Kante hat, sieht sich womöglich mit Existenznöten konfrontiert. Wir haben – quer durch die Kultursparten – mit Akteuren in Leonberg und der Region gesprochen, über ihren Alltag, ihre Sorgen, ihre Wünsche und ihre Pläne für die Nach-Corona-Zeit.   René Brixel, selbstständiger Videoproduzent und Bassist bei der Band „Karma Addon“, Leonberg Wie geht es Ihnen mit den Corona-Beschränkungen? Ich muss leider sagen: schlecht. Unsere Hauptkunden sind Unternehmen, die wegen der Pandemie vorsichtiger agieren. 100 Prozent unserer Aufträge für Veranstaltungsvideos sind weggebrochen.  Und auch meine Tätigkeit als Musiker ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Als vor einem Jahr der erste Lockdown kam, waren wir mitten in einer EP-Produktion, das stockt alles. Mein Bass setzt schon Staub an. Mir fehlt oft die Lust, zu spielen, weil jegliche Inspiration von außen fehlt. Was fehlt Ihnen momentan am meisten? Mir fehlen vor allem die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und das kreative Umfeld wie Konzert- und Kinobesuche, der Gang ins Fitnessstudio oder dass man sich mal nach Feierabend mit all seinen Freunden zum Grillen treffen kann. Was wünschen Sie sich in dieser Situation? Dass ich mich hoffentlich bald wieder ohne zahlenmäßige Kontaktbeschränkung mit Freunden treffen kann, das wär mir das Wichtigste. Und dann natürlich, dass der Kulturbereich, aus dem man seine eigenen kreativen Ideen schöpft, wieder in Gang kommt. Was planen Sie für die Nach-Corona-Zeit? Momentan nichts. Das letzte halbe Jahr hat ja gezeigt, dass nichts möglich war. Ich will nicht wieder enttäuscht werden.   Hans Daniel Sailer, Maler und Bildhauer, Höfingen Wie geht es Ihnen mit den Corona-Beschränkungen? Da ich als Bildhauer ein sehr kontemplatives Leben führe, betrifft mich Corona eigentlich nicht. Ich arbeite sogar mehr als vorher, weil es allgemein ruhiger ist. Natürlich besuchen mich weniger Leute, aber ich bin es als Bildhauer gewöhnt, lange Phasen ohne Außenkontakt zu arbeiten. Was fehlt Ihnen momentan am meisten? Ich verspüre vor allem einen Mangel an kulturinteressierten Menschen im Gemeinderat. Was wünschen Sie sich in dieser Situation? Nach meinen Erfahrungen würde ich mir wünschen, dass die Kulturmanager nicht behaupten, sie wüssten, wie Kunst geht. Was Kunst darf oder nicht, entscheide ich als Künstler. Dabei nehme ich gerne in Kauf, dass es nicht allen gefällt. Was planen Sie für die Nach-Corona-Zeit? Ich habe in den letzten Jahren in meinem Atelier einiges Neue geschaffen. Das werde ich irgendwann präsentieren. Wo, weiß ich noch nicht, damit lasse ich mir Zeit. Planen tue ich nicht. Wenn man gute Geister weckt, finden sie ihren Weg.   Werner Holler, Kultur-Impressario, Gebersheim Wie geht es Ihnen mit den Corona-Beschränkungen? Wir haben im März vor einem Jahr unsere Kuckucksbühne vorläufig zugemacht. Die Einbußen infolge der Absagen hielten sich in Grenzen. Dadurch, dass ich noch ein anderes Standbein habe, sind wir zum Glück nicht in Existenznöte geraten. Was fehlt Ihnen momentan am meisten? Es fehlt eine Perspektive. Überall warten Künstler auf Auftritte, aber mir fehlt die Planungssicherheit. Den Kleinkunstbereich wieder hochzufahren, braucht doch eine längere Vorlaufzeit. Und es braucht mutige Leute in den Locations vor Ort, die das dann auch durchziehen. Was wünschen Sie sich in dieser Situation? Ich wünsche mir mehr Mut auf den Amtsstuben, auch mal besondere Ideen zuzulassen, wenn ein gutes Schutzkonzept vorliegt. Denn Corona wird es auch noch in ein paar Jahren geben. Wir können aber nicht warten, bis irgendwann mal die Infektionsgefahr auf null gesunken ist. Es gibt ja wissenschaftliche Studien, wonach das Ansteckungsrisiko in Theatern und zum Beispiel in der Oper unter bestimmten Voraussetzungen sehr gering ist. Diese Erkenntnisse sollte man langsam mal umsetzen und angepasste Kulturformate entwickeln. Was planen Sie für die Nach-Corona-Zeit? Wie gesagt, es wird vorerst keine Nach-Corona-Zeit geben. Diese Viren werden nach wie vor da sein, wir müssen das Kulturleben daran anpassen. Vermutlich wird sich das Kulturleben mehr in den Sommer verlagern. Ich plane jedenfalls vorerst nur für die warme Jahreszeit. Vielleicht haben wir künftig auch Verträge mit Corona-Ausstiegsklauseln. Und wenn wir jeweils nur halb so viele Besucher zulassen können, werden wir wohl auch die Eintrittspreise etwas anheben müssen.   Christine Rummel, Textilkünstlerin, Fundus, Leonberg Wie geht es Ihnen mit den Corona-Beschränkungen? Ich bin sehr dankbar, dass ich mir momentan finanziell keine Sorgen machen muss. Was nicht heißt, dass ich auf großem Fuß leben kann. Erstaunlich ist, dass sich für mich ausgerechnet im zurückliegenden Corona-Jahr so viele neue Ausstellungs- und Entwicklungsoptionen ergeben haben wie nie zuvor. Zum Beispiel wurde ich bei einer Textil-Biennale in Santiago de Chile, die erstmals online veranstaltet wurde, mit dem zweiten Platz ausgezeichnet, eine wundervolle Überraschung. Für mich war es ein beindruckendes Jahr. Was fehlt Ihnen momentan am meisten? Auch wenn ich digitale Alternativen für Ausstellungsbesuche, Studiengruppentreffen, Fortbildungen und private Zusammenkünfte nutze und sie als Bereicherung empfinde, ersetzen sie dennoch nicht das unmittelbare Erleben und den physischen Kontakt zu meinen Künstlerkolleginnen, Familie und Freunden. Das fehlt mir hin und wieder. Was wünschen Sie sich in dieser Situation? Jeder neue Tag  bedeutet für mich geschenkte Zeit, schon aus diesem Grund ist annähernd jeder Tag ein wertvoller und guter.  Über die persönlich-menschlichen und  künstlerischen  Erkenntnisse und Reflexionen hinaus wünschte ich mir, den mit allen Sinnen erlebenden konstruktiven Austausch unter Gleichgesinnten.     Was planen Sie für die Nach-Corona-Zeit? Das vergangene Jahr hat mich in vielerlei Hinsicht gelehrt, dass sich viele Dinge anders entwickeln, als sie im Voraus geplant waren.  Ich werde diese Zeit auf mich zukommen lassen, meiner Intuition folgen und mich weiterhin meinen Themen auf textilkünstlerische Weise annähern.   Guido Rettenmaier, Inhaber Galerie 116, Leonberg Wie geht es Ihnen mit den Corona-Beschränkungen? Schlecht. Wir dürfen nicht aufmachen und alle geplanten Messen wurden abgesagt. Das bedeutet: Wir haben natürlich Kosten, aber keine Umsätze. Zum Glück habe ich früher etwas gespart. Aber irgendwann ist die Grenze natürlich erreicht. Was fehlt Ihnen momentan am meisten? Die Vernissagen, die Künstler und die Kunden.