Gelebtes Kulturareal: Tanzen in Schuhfabrik und Steinturnhalle

„SWEET & TEXAS“ – LINE DANCER TRAINIEREN IN GALERIERÄUMEN Im Rahmen seiner „Line Dance Workshop & Party“ in der Steinturnhalle gastiert der Höfinger Verein „Dance & Fit“ in der Galerie im Künstlerhaus   „Kick, Step forward, Right heel twist, Heels swivel 1/4 turn left, Hook back …“, hieß es am Samstagnachmittag, 25. November, in der Galerie im Künstlerhaus. Der Höfinger Verein „Dance & Fit e.V.“ hatte zum „Line Dance Workshop & Party“ in die benachbarte Steinturnhalle geladen. Aber weil die Halle nur Platz für sechs Fortgeschrittenen-Kurse bot, fanden die Anfänger-Kurse, ebenfalls sechs an der Zahl, in der Alten Schuhfabrik statt. Ein weiteres Beispiel, dass das vom Verein Kulturfabrik Leonberg e.V. vorgeschlagene „Kulturareal“ aus Alter Schuhfabrik und Steinturnhalle Sinn macht. Im Schnitt 20 „Beginners“ studierten im größeren der beiden Galerieräume dreieinhalb Stunden lang unter Anleitung wechselnder Trainerinnen die Schrittfolgen von Songs wie „Sweet & Texas“, „Drives me crazy“ oder „Pollina Reggae“ ein. Und sie hatten sichtlich und hörbar Spaß dabei. Für die Aufwärmphase behalf man sich mit einer mobilen Infrarot-Heizung.                         „Wir sind Galerie-Inhaberin Carina Straub und dem Verein Kulturfabrik dankbar, dass wir in der Schuhfabrik zu Gast sein durften“, betonte die Vorsitzende von „Dance & Fit“, Silke Falkner. Sie stellte zugleich fest, dass es in Leonberg nicht genug Räumlichkeiten für solche Events gebe. Zusammen mit ihren Trainerkollegen Silke Menger aus Freiberg am Neckar, Oliver Vonier aus Sindelfingen und anderen unterrichtete Silke Falkner in der Steinturnhalle die Fortgeschrittenen. Auf dem Programm standen anspruchsvolle Choreografien zu Songs wie „Love, Love“, „Keep on Holding“ und „Chicag-Uh-Oh“. Neben Line Dance bietet der rund 130 Mitglieder zählende Verein „Dance & Fit“ auch Standard-Lateinkurse, Kindertanz sowie verschiedene Fitness-Kurse an.                         Gegen Abend gingen die Workshops fast nahtlos in die angekündigte Party in der Steinturnhalle über. Ein Küchenteam sorgte unter anderem mit Kaffee und Kuchen, Erfrischungsgetränken und verschiedenen Wraps für das leibliche Wohl der Gäste. Auffällig: Die für das Line Dance-Ursprungsland USA typische Country-Musik war eher die Ausnahme. Mit dem Tanzfilm „Saturday Night Fever“ sei der „Modern Line Dance“ in Form einer Disco-Welle Ende der 1970er Jahre nach Deutschland herübergeschwappt, erläuterte Trainer Oliver Vonier. Auch in der Schuhfabrik und der Steinturnhalle tanzten die insgesamt rund 70 Teilnehmerinnen – Männer waren rar – überwiegend zu Disco-Pop-Titeln. Jede für sich und doch gemeinsam. Und alle dieselben Tanzfiguren. „Das Schöne ist, dass man ohne Partner tanzen kann und trotzdem zusammen“, meinte Wilja Pönitz aus Leonberg. „Dass man keinen Partner braucht, um tanzen zu gehen“, war auch für Oliver Vonier vor Jahren die Motivation, vom traditionellen Paartanz auf Modern Line Dance umzusteigen. Mittlerweile gebe es auch Choreografien für Hiphop-, House-, Latino- und sogar Soul-Musik, so der Trainer. „Nett“ fand Wilja Pönitz auch, dass die Besucherinnen aus verschiedenen, teils sogar weiter entfernten Orten kamen. Auf Line Dance Partys treffe man sich immer wieder und könne sich mit Gleichgesinnten austauschen. Bis in die Nacht hinein wurde ausgelassen getanzt und gefeiert.

Vorausgeschaut: „Zukunfts(Rast)stätte“ machte Kulturareal erlebbar

Vorausgeschaut: „Zukunfts(Rast)stätte“ machte Kulturareal erlebbar Tankstelle und Bühne für die lokale Kultur Drei Wochen im Herbst, von Ende September bis Mitte Oktober 2022, glich der Platz zwischen Alter Schuhfabrik und Steinturnhalle einer Art kulturellem Experimentierlabor. Zuerst wurde gezimmert, genagelt und gebaut. Ein agiles Team der Kölner Installationskünstlerwerkstatt Studio Quack zauberte in Rekordtempo einen multifunktionalen Kiosk im Stil einer Autobahnraststätte auf das – vorübergehend autofreie – Areal. Eine Tankstelle und Bühne für die Kultur. Bestückt mit Durstlöschern und bespielt von Künstlern, Schauspielern, Musikern, Naturschützern, Freizeitsportlern, Nachbarn, Familien, Kindern und Jugendlichen. Am 30. September war Eröffnung der „Zukunfts(Rast)stätte“. Engagierte Einzelpersonen, Organisationen und Vereine, darunter unser Kulturfabrik e.V., luden zwei Wochen lang zu Veranstaltungen und Mitmachaktionen ein: Es wurde nach Herzenslust gebastelt, getanzt, gespielt, diskutiert, gemalt, gekocht und noch vieles mehr. Kurzum: Akteure wie Besucher haben die Zeit genutzt und ausgiebig Kultur getankt. Im Folgenden stellen wir die mit unserer Beteiligung entstandenen Aktivitäten näher vor. Auf die zahlreichen wunderbaren Beiträge anderer Gruppen wird auf der Homepage der Stadt Leonberg eingegangen. Wie war das alles möglich? Den gemeinsamen Rahmen bildete das von der KulturRegion Stuttgart ausgeschriebene Festival ÜBER:MORGEN. Über 20 Kommunen im Großraum Stuttgart waren daran beteiligt – jede mit einem anderen Projekt. In Leonberg entschied man sich für eine Pop-up-Installation in Form einer „Zukunfts(Rast)stätte“. Die Idee in Anlehnung an die Leonberger Verkehrsproblematik und die Autobahnnähe habe man gemeinsam mit den von der KulturRegion vorgeschlagenen Installationskünstlern entwickelt, berichtet der Leiter des Amts für Kultur und Sport, Jonas Pirzer. Das Ziel: „Sichtbarmachen von tollen Dingen, die hier passieren, neue Formate entwickeln, Menschen zusammenbringen, bescheidene innenstädtische Utopien ermöglichen, Potenziale erforschen, kulturelle Zukunft gemeinsam gestalten …“ Und warum gerade auf diesem Platz? „Weil sowohl Schuhfabrik als auch Steinturnhalle interessante Gebäude sind, und der Parkplatz dazwischen mehr sein kann als nur ein Parkplatz“, so Pirzer. Außerdem liege der Ort zentral und sei leicht zu erreichen. Eine Erkenntnis, die der Verein Kulturfabrik nur unterstreichen kann. Schon seit zwei Jahren werben wir für ein von Vereinen, Initiativen und Stadt gemeinsam bespieltes „Kulturareal Steinstraße“. Mit dem Festival ist diese Vision nun für drei Wochen gelebte Realität geworden. Und das Beste: Jede/r konnte mitmachen. Alles in allem ein Kulturevent, das eine Fortsetzung verdient.                      

Tunnelblick statt ganzheitlicher Betrachtung

Tunnelblick statt ganzheitlicher Betrachtung In die Entscheidung über die alte Schuhfabrik müssen auch Argumente für ihren Erhalt einfließen Eigentlich sollte die Grundsatz-Entscheidung über Sanierung oder Abriss der alten Schuhfabrik schon im Frühjahr 2020 fallen. Doch die Corona-Krise hat nicht nur unsere Planungen für ein Künstlerhausfest, sondern auch die Terminplanung von Stadtverwaltung und Gemeinderat durchkreuzt. Und so kam es, dass die entscheidende Gemeinderatssitzung bereits zwei Mal verschoben wurde. Jetzt heißt es, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstag, 17. November 2020, ab 19 Uhr über die alte Schuhfabrik entscheidet. Zukunftskonzept veröffentlicht Wir haben die Zeit genutzt. In den vergangenen Monaten haben wir unseren Vorschlag, wie es aus unserer Sicht mit der alten Schuhfabrik weitergehen sollte, noch einmal gründlich überarbeitet und auf den allerneuesten Stand gebracht. Das von uns vorgelegte Konzept entwirft, kurz gesagt, eine Zukunftsvision, wie das bestehende Künstlerhaus zu einem „Begegnungszentrum für Kunst und Kultur“ weiterentwickelt werden kann. Das neue Begegnungszentrum mit dem Namen „Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg“ soll nicht nur kunstinteressierte Menschen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger ansprechen. Ja, wir gehen sogar noch einen Schritt weiter: Wir schlagen die Einbeziehung der ebenfalls historischen Steinturnhalle in ein neu zu schaffendes „Kulturareal Steinstraße“ vor. Damit könnten die kulturellen Angebote von Künstlern, Kulturschaffenden und Vereinen zielgenau an der Schwelle zwischen Altstadt und neuer Stadtmitte gebündelt und zudem für eine dauerhafte Belebung der umgebenden alten und neuen Wohn- und Geschäftsviertel genutzt werden. Wer sich einen schnellen Überblick über unsere Vorschläge verschaffen möchte, findet eine Kurzversion unter „KKL-Doku“ auf dieser Internetseite. Wer sich darüber hinaus für weitere Einzelheiten interessiert, kann sich in die anschließende Langfassung vertiefen. Entscheidung rückt näher Bereits im Februar 2020 hatten wir als Initiative Kulturfabrik Künstlerhaus Leonberg (IKKL) unser Konzept an die Stadtverwaltung geschickt. Doch damals war die Kulturamtsleitung noch nicht wieder besetzt, dann kam die Corona-Krise und es tat sich erst einmal nichts. Erst im Juni 2020 kam es auf Einladung der IKKL zu einem ersten Treffen mit dem neuen Ressortchef inklusive Besichtigung der Schuhfabrik. Ende Juli 2020 präsentierte das Kulturamt dann einen „Fahrplan“ für diesen Herbst: erst eine Hausbegehung durch den Gemeinderat, dann Beratung in den Ausschüssen und zum Schluss Entscheidung durch den Gemeinderat. Fragwürdige Hausbegehung Schon im Vorfeld der für den 29. September 2020 anberaumten nichtöffentlichen Hausbegehung wollte die Stadtverwaltung unser Konzept den Bürgervertreter/innen zugänglich machen. Doch daraus wurde nichts. Begründung: Der Gemeinderat wolle sich zuerst ausschließlich mit dem baulichen Zustand befassen. Diese Herangehensweise wird unserer Ansicht nach der Sache nicht gerecht. Ein historisches Bauwerk wie die alte Süddeutsche Schuhfabrik, dessen älteste Teile fast 200 Jahre alt sind, darf nicht allein von seinem baulichen Zustand her beurteilt werden. Statt des verengten Blicks auf erwartbare altersbedingte Schäden und deren Folgekosten könnte eine ganzheitlich ausgerichtete Betrachtungsweise zu einem objektiveren Urteil führen. In eine solche ganzheitliche Betrachtung muss zum einen die historische Bedeutung der Schuhfabrik als letzter Zeitzeugin der Leonberger Industrialisierung und zum anderen ihre gegenwärtige Bedeutung für die lokale und regionale Kunst- und Kulturszene einbezogen werden. Nicht zuletzt gilt es auch, die zukünftigen Chancen zu berücksichtigen, die mit der von uns vorgeschlagenen Umwandlung des bestehenden Künstlerhauses in ein Kunst- und Kultur-Begegnungszentrum für alle Bürger/innen und die Stadt insgesamt verbunden sind.     Politik der Abrissbirne Es ist beklagenswert, dass es in Leonberg offenbar an historischem Bewusstsein mangelt. Einen Verein, der sich um die Pflege der Stadt- und Regionalgeschichte kümmert, sucht man hier vergebens. Da verwundert es nicht, dass die Politik der Abrissbirne bisher kaum auf Widerspruch stieß. Auf diese Weise hat Leonberg schon viele historische Gebäude verloren: Erinnert sei beispielsweise an das Schießhaus am alten Friedhof (aus dem Jahr 1602), an das aus dem 19. Jahrhundert stammende Wohnhaus des Züchters der Leonberger Hunde, Heinrich Essig, und an die ehemalige Schuhfabrik Schmalzriedt in der Bahnhofstraße. Erst ließ man die Gebäude verfallen, dann hieß es: zu teuer zum Sanieren. Dieses Muster darf sich bei der alten Schuhfabrik nicht wiederholen. Ein Abriss der alten Schuhfabrik wäre nicht wieder gutzumachen. Wo ein Wille ist Im Übrigen werden angeblich zu hohe Kosten – wie neuerdings auch die Steuerausfälle infolge der Corona-Krise – gerne als Argumente vorgeschoben, um eine zukunftsweisende Diskussion im Keim zu ersticken. Landauf, landab hat sich aber in vielen ähnlich gelagerten Sanierungsfällen gezeigt: Wo ein Wille ist, da ist meistens auch ein Weg. Nicht von ungefähr weisen Fachleute darauf hin, dass es genügend Beispiele gibt, wie auch mit geringen Mitteln auf respektable Art und Weise saniert und restauriert werden kann. Lesetipp zur Geschichte der alten Schuhfabrik: https://zeitreise-bb.de/schuh/